das wird: Tanz die Pandemie
Vorpremiere in Bremen: Für ihren Corona-Doku-Spielfilm „2020“ sind die Performer*innen „Gintersdorfer/Klaßen“ auf die Straße gegangen
2020. Ein Dokumentarfilm von Gintersdorfer/Klaßen. Vorpremiere: Mo, 4. 4., 20 Uhr, Theater Bremen, Noon/Foyer Kleines Haus
Von Wilfried Hippen
Auf einer Straße wird leidenschaftlich über Corona diskutiert. Die Sprechenden halten sich fern voneinander, mit Hilfe von Stangen, etwa 1,5o Meter lang, also der angeordnete Mindestabstand. Die Performance der Künstler*innengruppe Gintersdorfer/Klaßen aus dem Jahr 2020 bringt die damalige Unmöglichkeit von Nähe künstlerisch auf den Punkt. Es sind solche – zugegeben: eher seltenen – Momente, in denen nun auch ihr Dokumentarspielfilm „2020“ stilistisch überzeugt. Dann wieder wirkt er wie die Notlösung, die er ja auch war und ist: Wegen der Pandemie waren die Theater geschlossen, in denen Gintersdorfer/Klaßen sonst ihre Stücke inszenieren und aufführen, und so zogen sie hinaus ins Freie.
Knut Klaßen, Ko-Leiter des Kollektivs, filmte ihre Performances, meist minimalistisch mit einer handgehaltenen Digitalkamera. Gerne reagierten sie auf tagespolitische Vorkommnisse wie die große Querdenkerdemonstration in Berlin mit geschätzten 38.000 Teilnehmer*innen, den Brand des Flüchtlingslagers Moria oder die Präsidentschaftswahlen in den USA und der Elfenbeinküste. Die Elfenbeinküste ist relevant für die Gruppe, weil ihr Performer Franck Edmond Yao aus dem westafrikanischen Land kommt.
Der mehrfache Gewinner des African Award als „bester afrikanischer Tänzer in Paris“ ist auch im Film der Star; ein Wort, das die Gruppe kaum benutzen würde. Aber Yao ist in den meisten Sequenzen präsent, er redet auch am meisten – Französisch. Aber stets ist Hauke Heumann zur Stelle und übersetzt sehr eigensinnig ins Deutsche. Dabei wird aus einem kurzen Satz auch mal eine sehr viel längere Erklärung. Gerade diese Unschärfen machen Yaos Wortbeiträge wenn nicht interessanter, so doch unterhaltsamer.
Dass er und Heumann gut aufeinander eingespielt sind, merkt man auch ihren gemeinsamen Performances an, in denen sie sich etwa im pantomimischen Golfspiel die Bälle zuwerfen. In einem Auszug aus ihrem Stück „La Jet Set“ (2009) trinkt Heumann Champagner aus einem seiner Schuhe; diese Sequenz gehört zu den Höhepunkten des Films, auch, weil sie auf der Straße inmitten von Passanten aufgenommen wurde. Yao und er, die Showmacher des Films, liefern also gut.
Aber es gibt auch viel Leerlauf in den 93 Minuten. Da wird etwa eine lange Diskussion über die Brandkatastrophe von Moria abgefilmt, und dass die Gruppenmitglieder sich manchmal etwas seltsam bewegen, macht daraus keine gelungene Improvisation. Es ist auch nicht viel künstlerischer Mehrwert zu spüren, wenn Klaßen bei einer Demo minutenlang einfach nur die Kamera draufhält.
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