das wetter: möhre verzweifelt (4):
„Werter Herr“, piepste eine der jungen Damen hinter ihrem Fächer hervor, „sagen Sie doch bitte Ihrem Fuß unter dem Tisch, er möge Anstand wahren und sich von meinem Bein entfernen.“ Geheimrat Möhre dachte ‚hört, hört‘ und fragte laut: „Haben Sie etwas gegen meine Füße, schönes Fräulein?“, und das Fräulein antwortete keck: „Nur, wenn sie mir unter die Röcke kriechen wollen, mein Herr.“ Möhres Herz machte einen Sprung. „Potz-Donner“, dachte er, „Was für ein Teufelsweib! Was für ein kleiner Satansbraten!“ Er ließ sich vor dem Fräulein auf die Knie fallen und umklammerte mit beiden Armen die Röcke über den Waden. Das Fräulei stieß einen kleinen spitzen Schrei der Überraschung aus. „Dich sah ich“, rief Geheimrat Möhre, „Und ich freute mich mild / Schenk mir dein Herz / Denn ich begehre dich wild!“ Das schöne Fräulein hatte den Fächer sinken lassen und starrte Möhre aus vor Entsetzen geweiteten Augen an. Möhre sprang auf, vollführte einen wilden Tanz durch das Kaffeehaus „Zum Lieblichen Fräulein“ und rief dabei: „Hurra, ich bin verliebt!“ Alsdann stürzte er sich wieder auf die junge Dame und wirbelte sie herum. Er reimte ausgelassen: „Dichten ist ein Übermut / Ich treibe es nicht gern allein / Fräulein, Sie riechen gut / Gleich beiße ich Sie ins Bein.“
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