das werden die monate, die werden (6 und 7): Free Hajo!
Vorschau: Heute mit vielen russischen Erfolgen bei der Fußball-WM, Lehren aus Münchens Eintel-Saison und Tinky-Winky in Watutinki
Chipping Campden, 1. Juni: Die WM im Schienbeintreten, ein junges britisches Event mit kaum vier Jahrhunderten Tradition, gebiert neue Erkenntnisse: Weil die Finalisten am häufigsten antreten, hochrechnet die Times, müssen sie auch die meisten Tritte einstecken. Somit gehe der Sieger „zwar mit glorreichem Titel, aber maximalen Lädierungen nach Hause“ – so er noch gehen könne. „Routinierte Frühausscheider wissen das schon lange“, sagt die Darmstädter Tennisspielerin Andrea Petković.
München, 3. Juni: Petkovićs offene Worte bekommen viel Lob von Martin Kaymer, Angelique Kerber und besonders Michael Frontzeck: „Erfolglosigkeit ist schon immer meine Philosophie.“ Sogar der FC Bayern will, so Uli Hoeneß, die Loser-Idee nach der verheerenden Eintel-Saison „intensiv durchdenken“. Seelisch sei man beim FC Nichtmehrimmerallesgewinnen „immer noch maximal lädiert“.
Watutinki, 12. Juni: Das deutsche WM-Team bezieht zufrieden sein Quartier am Rande der grauen Garnisonsstadt und Geheimdienstmetropole aus Sowjetzeiten. „Watutinki klingt ja wie Tinky-Winky von den Teletubbies“, freut sich medienkennerisch Jungvater Toni „Dipsy“ Kroos. Joachim Löw lobt die „höggschdfreundliche Aufmerksamkeit“ der Russen nach deren Versprechen, „die vornehmen Weltmeistergäste nur ganz geheim auszuspionieren, ohne dass jemand etwas merkt.“
Moskau/Lessosibirsk, 12. Juni: Schon am Tag nach der Festnahme und Gulag-Landverschickung des ARD-Dopingfahnders Hajo Seppelt wegen „widerrechtlicher Informationsverweigerung“ tragen alle deutschen Fernsehschaffenden „Free Hajo“-Shirts. „Eine beeindruckende Solidaritätsbekundung“, lobt die Kanzlerin. Warum alle mit den Shirts so gut vorbereitet waren, bleibt ungeklärt.
Moskau, 14. Juni: Nach bebenden Kasa- und Nowitschok-Rhythmen bei der WM-Eröffnungsfeier feiern Russland und Saudi-Arabien ihr 0:0 im ersten Spiel. „Unsere fantastische Sbornaja“, sagt Wladimir Putin, „ist zäher als die albernen Giftvorwürfe aus London.“
Samara, 25. Juni: Der grundböse Russe schwächelt: immer noch keine neuen Dopingbefunde, keine Nervengifte gegen Englands Team, keine neuen Krimbesetzungen, Ukraineangriffe und Hackerattacken auf den Videobeweis. „Fußball dient dem Weltfrieden“, doziert Wladimir Putin zufrieden, „das haben wir schon immer so angeordnet.“ Mit dem ersten Torschuss des Turniers gegen Uruguay gelingt sogar der Einzug ins Achtelfinale. Großherzig tröstet Putin Uruguay mit üppigen Handelsverträgen.
Kaliningrad, 28. Juni: Da hatten sich die traditionell fangschwachen Engländer etwas Raffiniertes ausgedacht: mit drei neuen Torhütern nach Russland. Sie setzen aber nur einen ein. Folge: 1:5 gegen Belgien nach grotesken Missgriffen. Zum frühen WM-Aus ätzt der Guardian: „England hätte besser die Three Lions ins Tor gelegt.“
Moskau/Paris/Kelmis, 1. Juli: Die Fußball-WM nimmt kein Ende – jedenfalls nicht in diesem Monat. Schon aber sehen wir erneut schwarze, rote und gelbe Farben ganz vorn – nur sind sie wirklich quergestreift? Und wir sehen, dass wegen der WM hier keine Juli-Vorschau erscheinen kann – also müssen Wimbledons Erdbeeren im Nebel bleiben wie auch die Segway-WM im ostbelgischen Kelmis und das Schicksal des Kolchosenarbeiters Hajo Seppelt. Bernd Müllender
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