das portrait: Aufschlag: Laura Siegemund steht im Viertelfinale von Wimbledon
„Ich muss ehrlich sagen, dass das nicht auf meiner Rechnung war“, sagte die erstaunliche Schwäbin Laura Siegemund nach ihrem 6:3, 6:2-Sieg gegen die Argentinierin Solana Sierra auf dem Rasen von Wimbledon. „Selbstverständlich ist das nicht in meinem Alter.“ Tatsächlich ist Siegemund, 37 Jahre alt, in der heißen Turnierphase immer noch im berühmten Tennis-Turnier in der Londoner Church Road unterwegs, jetzt schon als stolze Viertelfinalistin. Am Dienstag trifft sie auf die große Favoritin Aryna Sabalenka, „ein Kracher“, wie sie findet, „da braucht man das perfekte Spiel“.
Zuzutrauen ist es ihr: 20 Jahre nach ersten Erfolgen im Juniorinnen-Sektor ist das schwäbische Ausdauerwunder immer noch für manche Überraschung gut, inzwischen ist sie die älteste Spielerin, die bei dem Grand-Slam-Turnier in die Runde der letzten acht eingezogen ist. „Man muss das ganze Energiemanagement stets im Auge haben“, sagt Siegemund, „ich kann ja nicht mehr trainieren und arbeiten wie mit Anfang oder Ende 20“. Zumal, da sie bei den Majors stets auch Aktien in den Doppel- und Mixedwettbewerben hat. „Laura Überall“ nannte Boris Becker die gebürtige Filderstädterin einmal, weil sie es in allen drei Grand-Slam-Disziplinen mit der Konkurrenz aufnahm.
Siegemund hat sich bei den großen Turnieren bisher meist auf die Paarwettbewerbe konzentriert. Aber, sagt sie: „Als Einzelkämpferin musst du allein deine Lösungen finden, das ist auch der ganz große Reiz.“
Eins hat Wimbledon 2025 jedenfalls schon vor dem Showdown mit Sabalenka bewiesen: Siegemund schafft es immer noch, jüngere Spielerinnen-Generationen hierzulande in den Schatten zu stellen. Sie ist immer noch die Meisterin darin, zu zeigen, was es braucht, um sich in der Hochgeschwindigkeitsbranche zu behaupten: Durchsetzungswillen, hellwache Spielintelligenz, Kreativität und brennenden Ehrgeiz. „Ich will mit jeder Faser jedes Spiel gewinnen“, sagt Siegemund. Und sie scheut dabei auch nicht vor mancher Gemeinheit zurück, die den Altmeister Brad Gilbert verzücken würde. Der hatte einst die Devise ausgegeben: „Winning ugly“, also: Hässlich gewinnen.
Siegemund hat als Tenniskind einst den „Orange Bowl“ in Florida gewonnen, die inoffizielle WM für Kids – aber bald, gehandelt als „neue Steffi Graf“, die Lust an ihrem Sport verloren. Ein Comeback später erlebte sie ein spätes Glück als Berufsspielerin und etablierte sich als eine der weltbesten Doppelspielerinnen. Drei Grand-Slam-Pokale holte sie im Frauendoppel und im Mixed.
Die langjährige deutsche Frauentennis-Chefintrainerin Barbara Rittner sagt über Siegemund: „Sie hat die Einstellung,nie, nie aufzugeben. In keinem einzigen Match.“
Sie müsse „nicht von jedem geliebt werden“, sagt Siegemund zu ihrer ganz persönlichen Rolle in diesem großen Tennistheater. Womit gemeint ist: Siegemund geht zur Arbeit auf dem Court, macht ihren Job und schließt danach sozusagen das Büro ab. Das ganze Drumherum, die schillernde Inszenierung sind ihre Sache nicht. Über die Jahre hat sich Siegemund auch immer wieder intensiv wissenschaftlich mit dem eigenen Berufsumfeld beschäftigt. Ihre Bachelor-Arbeit ging dem „Versagen unter Druck“ nach.
Für viele Rivalinnen ist Siegemund spielerisch eine Herausforderung: Jähe Netzattacken und fiese Stopps gehören zu ihrem Repertoire, genauso taktische Spielchen wie nervenaufreibende Zeitschinderei. Beliebtheitspreise, sagt Siegemund dazu, würden eben nicht verteilt im Circuit. Sie will gewinnen. „Wer da auf mir rumhackt, ist mir egal.“ Jörg Allmeroth
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