das portrait: Anne Hidalgo tritt nicht mehr als Pariser Bürgermeisterin an
Anne Hidalgo will 2026 nicht für ein drittes Mandat als Oberbürgermeisterin von Paris kandidieren. Das sagte sie in einem Interview mit der Zeitung Le Monde. Damit bestätigte sie, was sie bereits bei ihrer Wiederwahl 2020 gesagt hatte: dass zwölf Jahre reichen müssten, um die Prioritäten einer grün-roten Kommunalpolitik umzusetzen. Es verwundert aber auch nicht, dass ihr Verzicht auf eine weitere Amtszeit ein enormes Echo, weit über Paris hinaus, ausgelöst hat. Denn die sozialistische Kommunalpolitikerin lässt nur wenige gleichgültig. Sie wird für ihre Klimapolitik gelobt und bewundert und mehr noch von ihren Kritikern angefeindet oder gehasst. An ihrer Person entflammen sich politische Leidenschaften. Es reicht meist, einem Taxifahrer den Namen Hidalgo zu nennen, um eine Flut von Schimpfwörtern zu auszulösen. Während ihrer Amtszeit setzte die rot-grüne Koalition eine Verkehrsberuhigung durch, die einen Teil der Automobilisten nachhaltig gegen Hidalgo aufgebracht hat: 30 Stundenkilometer Höchstgeschwindigkeit im Zentrum und 50 auf der Ringautobahn Périphérique, 1.200 Kilometer Radwege auf den bisher von Motorfahrzeugen dominierten Boulevards, Grünflächen anstelle von Parkplätzen etc. Genug sichtbare und zum Teil einschneidende Veränderungen, um die Vorherrschaft des Pkw in Paris definitiv ins Wanken und die Verfechter einer uneingeschränkten „Freiheit am Steuer“ in Rage zu bringen.
Auch ihnen wird Hidalgo fehlen. In manchen Talkshows sowie Kommentaren vor allem der rechtslastigen Rundfunk- und Fernsehsender gehörte das Hidalgo-Bashing zum Standard. Der morgendliche Stau für die Pendler aus den Vorstadtquartieren, zu viel Laub auf der Straße, die Lärmbelästigung, nicht rechtzeitig entsorgte Mülltonnen, die Rattenplage in den öffentlichen Gärten, zu wenig öffentliche Toiletten, aber zu viel Airbnb-Wohnungen: alles wird der Bürgermeisterin angelastet.
Das war von Beginn an so, als sie 2014 im Pariser Rathaus die Nachfolge des Sozialisten Bertrand Delanoë antrat. Als erste Frau auf diesem sehr exponierten Posten und auch als Tochter der aus Andalusien eingewanderten Eltern. Sie bekam nichts geschenkt: Nach ihrem Studium wurde sie Betriebsinspekteurin und arbeitete sich in Partei und Ministerien durch die Chargen und Ämter hinauf. Anders als ihr ferner Vorgänger Jacques Chirac hielt sie ihr Versprechen und nahm im Sommer vor dem Beginn der Sommerolympiade furchtlos ein Bad in der Seine, um so zu zeigen, dass dank der riesigen Investitionen in die Hygiene das Flusswasser sauber genug sei, damit spätestens ab 2025 auch dem breiten Publikum das Schwimmen erlaubt werden könne. Sie hatte einen wichtigen Anteil bei der erfolgreichen Organisation der Olympischen Spiele. Doch auch das wird ihr von ihren verbissenen Gegnern nicht gutgeschrieben.
Zwei Amtszeiten müssen also reichen, um Paris nachhaltig zu verwandeln. Offenbar hat Hidalgo von der ständigen Polemik um ihre Person genug. Weitere politische Ambitionen hat sie soweit bekannt nicht. Mit ihren bloß 1,7 Prozent Stimmenanteil bei den Präsidentschaftswahlen von 2022 musste sie ihre Träume von einer weiteren Karriere begraben. Zur Durchsetzung ihrer sozialdemokratischen und umweltpolitischen Linie unterstützt sie nun den linken Spitzenmann der vergangenen EU-Wahlen, Raphaël Glucksmann. Über ihre Pläne schweigt sie sich aus, doch Gerüchten zufolge will ihr New Yorker Bürgermeisterkollege Michael Bloomberg ihr die Leitung einer Stiftung in Europa übertragen.
Rudolf Balmer, Paris
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