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das portraitMenschenrechtlerin Swetlana Gannusch­kina ist jetzt „Agentin“

Foto: Artur Widak/imago

Immer wenn die russische Menschenrechtlerin, Flüchtlingsaktivistin und Vertreterin der Organisation Memorial gefragt wird, ob es stimmt, dass sie Interessen von AusländerInnen vertritt, holt sie einen der Jahresberichte ihrer Flüchtlingsorganisation Ziviler Beistand hervor mit Fotos syrischer, ukrainischer, afghanischer und afrikanischer Flüchtlinge, die ihre Organisation in Moskau betreut, und sagt: „Ja, für die Interessen dieser Ausländer arbeite ich.“

So viel Humor hat man beim russischen Justizministerium nicht. Am 23. Dezember hatte dieses neben Gannuschkina Andrey Kolesnikov, ehemals Chefredakteur bei der Novaya Gazeta, den Journalisten Gleb Pianykh, die Journalistin Anastasia Zhvik, die Feministische Antikriegsbewegung und die LGBT-Sportgemeinschaft zu „ausländischen Agenten“ erklärt. Mit Swetlana Gannuschkina sei nun eine Person von der Agenten-Gesetzgebung betroffen, die in der russischen und internationalen Zivilgesellschaft eine unbestritten hohe moralische Autorität genieße, erklärte Jan Ratschinski, Vorsitzender der inzwischen in Russland verbotenen Internationalen Gesellschaft Memorial gegenüber der taz. Offensichtlich, so Ratschinski, wollten die Machthaber zeigen, dass es jeden treffen könne. „Schon seit längerer Zeit haben sich die Machthaber von der Gesellschaft entfernt. Ein Prozess, der für sie ungut enden wird“, so der russische Menschenrechtler, der im Dezember in Oslo für Memorial den Friedensnobelpreis entgegengenommen hatte.

Sicherlich kein Zufall, meinte Gannuschkina gegenüber der taz, dass diese Entscheidung getroffen worden war, just als sie im Urlaub war. Sie zitiert einen Menschenfresser aus der Märchenkomödie „Der Schatten“ von Jewgeni Schwarz: „Am einfachsten lässt sich ein Mensch fressen, wenn er im Urlaub ist.“ Sie werde ihre Arbeit trotz der Eintragung in das Agentenregister fortsetzen, so die 80-Jährige. Gannuschkinas Schwerpunkt ist die Flüchtlingsarbeit. Mehr als Zehntausend UkrainerInnen betreut die Organisation Ziviler Beistand mit Sitz in Moskau nach eigenen Angaben seit dem 24. Februar.

Die 1942 in Moskau geborene ehemalige Dozentin für Mathematik ist Mitbegründerin und Vorsitzende des 1990 gegründeten Komitees Ziviler Beistand. Gleichzeitig leitet sie das russlandweite Beratungsnetzwerk „Migration und Recht“. Bei ihren Reisen in das europäische Ausland setzte sich immer wieder gegen die Deportation von russischen Staats­bür­ge­rIn­nen nach Russland ein. Am 10. Dezember wurde dann auch Memorial mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet, Gannuschkina durfte sich freuen. Dessen ungeachtet wurde ihre Organisation Ziviler Beistand bereits 2015 vom russischen Justizministerium in die Liste der ausländischen Agenten eingetragen.

Anfang Dezember ist in Russland mit dem neuen Gesetz „Kontrolle der Tätigkeit von Personen unter ausländischem Einfluss“ unabhängige Arbeit weiter erschwert worden. Nun muss das Justizministerium nicht mehr eine ausländische Finanzierung nachweisen, wenn es eine Gruppe oder eine Person in das Liste der „ausländischen Agenten“ aufnehmen will, sondern kann jeden, der aus Sicht der Behörden unter „ausländischen Einfluss“ geraten ist, als „Agent“ einstufen. Nun veröffentlichte das russische Justizministerium ein neues Register der „ausländischen Agenten“, in dem alle bestehenden Register zusammengefasst wurden. Darin finden sich mehr als 500 Namen „ausländischer Agenten“. Bernhard Clasen

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