piwik no script img

das portraitFür den Handballer Lukas Mertenswar 2021 „ein irres Jahr“

Im Oktober 2021 traf Lukas Mertens zum ersten Mal auf Alfred Gislason – und zwar richtig. Mertens hatte gerade den weiten Weg von Saudi-Arabien nach Deutschland zurückgelegt, in Jeddah war er mit dem SC Magdeburg (SCM) Vereins-Weltmeister geworden. Der Deutsche Handballbund (DHB) hatte ihn allerdings auch zum Lehrgang des neugebildeten Anschlusskaders der Nationalmannschaft eingeladen. Also reiste Mertens nach Hennef. „Ich war abends um 18 Uhr da“, erinnert er sich, „und hatte etwa eine Stunde geschlafen.“ Gislason war das ziemlich gleichgültig: Der Bundestrainer fragte Mertens, ob er noch könne. „Das musste ich leider ablehnen“, sagt Mertens lachend.

Negative Folgen hatte das keine. Mertens debütierte einen Monat später gegen Portugal und gehört zum 19er-Aufgebot des DHB für die Europameisterschaft in Ungarn und der Slowakei. Zwar nimmt er hinter dem Göppinger Marcel Schiller nur den zweiten Platz auf Linksaußen ein. Und da Gislason lieber auf bewährte Kräfte als auf Novizen setzt, könnte recht wenig Spielzeit für den gebürtigen Wilhelmshavener herausspringen. Doch das ist erst einmal nebensächlich: „Ich freue mich auf jede Einheit“, sagt er, „wir sind eine junge, hungrige Truppe, jeder will zeigen, was er kann. Für viele wie mich auch ist es das Debüt bei einem großen Turnier. Ich fühle mich gut und bin sehr frisch hier angekommen.“

„Hier“, das ist Großwallstadt, wo sich der DHB versammelt hat, ehe es am Mittwoch nun von Frankfurt per Flugzeug nach Bratislava geht. Dort warten am 14., 16. und 18. Januar die EM-Vorrundengegner Belarus, Österreich und Polen. „Wir wollen verlustpunktfrei in die Hauptrunde“, sagt Mertens. „Dann kann alles passieren. Ich hoffe, wir bringen das Erlernte gut auf die Platte.“

Beim SCM hat er gelernt, wie man Titel holt. Die European League in der abgelaufenen Saison, dann den Super Globe, nun Tabellenführer der Bundesliga: Es läuft bei Mertens, der mit 25 Jahren unverzichtbarer Teil der Magdeburger Mannschaft unter Trainer Bennet Wiegert ist – auch, weil er die Integrationsfigur Matthias Musche vertrat, als der wegen eines Kreuzbandrisses fehlte.

Mertens bringt Leichtigkeit mit. Er hat das Kempa-Anspiel von Linksaußen so perfekt im Repertoire, dass der Flugball in den Kreis zum ganz normalen Magdeburger Spielzug gehört. Er sagt: „Es war ein irres Jahr. Wir haben zwei Titel geholt, ich habe mein Debüt in der Nationalmannschaft gegeben – aber es gab weder Zeit und Raum für Feierlichkeiten noch konnte ich das ganze Revue passieren zu lassen.“

Geblieben ist ihm der stete Blick auf den Jadebusen. In Wilhelmshaven beim WHV wurde er zum Profi, ehe er 2017 nach Sachsen-Anhalt wechselte. „Wilhelmshaven ist meine Heimat. Ich habe sehr viel Kontakt nach Hause. Alle meine Freunde leben dort“, sagt Lukas Mertens. Natürlich verfolgt er, was der WHV in der Dritten Liga macht. Ja, er fühle sich wohl in Magdeburg, zumal auch seine Freundin mit ihm dort lebt. Aber man merkt Lukas Mertens, dass Wilhelmshaven sein Kraftzentrum ist.

Dort begann alles, und dort robbte er sich an die A-Nationalmannschaft heran. Er sagt: „Ich kannte die Strukturen des DHB aus den Jugend-Nationalmannschaften seit 2012. Auch war Erik Wudtke dort zwei Jahre mein Trainer. So weit entfernt waren der DHB und Leistungshandball also gar nicht. Schließlich habe ich mich über die U17 bis zur U21 ja angenähert. Aber die A-Mannschaft war schon noch ein Stück entfernt.“ Wudtke ist heute Gislasons Assistent. Kann ja nicht schaden, wenn einen der „Ko“ so gut von früher kennt. Frank Heike

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen