das portrait: Michelle Ulbrichweiß, was ein gutes Team wert ist
Sie hat so ziemlich alles, was es für eine Publikumsikone braucht: Geboren und aufgewachsen in Bremen, seit zehn Jahren mit Auf- und Abstiegen im Verein, kämpft Michelle Ulbrich heute für Werder Bremens Verbleib in der Bundesliga. Überlegt, konzentriert und besonnen ist die Abwehrspielerin und Co-Kapitänin nicht nur im Interview, sondern auch auf dem Platz.
Die frustrierendsten Momente sind für die 24-Jährige die kleinen Fehler. „Du kannst solche Momente im Nachhinein nicht mehr ungeschehen machen“, sagt Ulbrich. Um das Ruder wieder herumzureißen, brauche es dann – natürlich – die ganze Mannschaft: „Jeder Mensch macht Fehler, aber als Team können wir die wieder richten.“ Durch die Coronapandemie sind die klassischen Mannschaftsaktivitäten natürlich nicht möglich. Gemeinsame Ausflüge oder Abendessen hätten vor allem im Sommer das gegenseitige Kennenlernen beschleunigt, als viele neue Spielerinnen kamen.
Am Fußball begeistert die Bundesligaspielerin auch ein gewisse Leichtigkeit: „Selbst wenn man früher nur eine Blechdose statt einem Ball und zwei Jacken statt Torposten hatte, konnte man jederzeit einfach losspielen.“ Von der Blechdose auf dem Schulhof hat sie es bis zur Stammspielerin auf „Platz 11“ geschafft, der Spielstätte der Werderfrauen. Zuvor spielte sie bereits in der B-Juniorinnen Bundesliga Nord und der 2. Bundesliga für Werder. Fußball sei ihr in die Wiege gelegt worden. Mit ihrem Vater, selbst Trainer, hat sie schon als Kind gemeinsam Fußball geschaut und auch ihre große Schwester spielt.
Eigentlich wäre die 24-Jährige gerne hauptberufliche Fußballerin. Das ist im Frauenfußball jedoch nur bei wenigen Vereinen möglich, und Werder Bremen gehört nicht dazu. Ulbrich entschied sich für eine Ausbildung zur Sport- und Fitnesskauffrau – bei Werder Bremen. Seit letztem Sommer ist sie damit fertig und arbeitet nun weiter im Verein.
Dass die Bedingungen im Frauenfußball zwischen den Vereinen so weit auseinanderklaffen, findet die Verteidigerin problematisch: Michelle Ulbrich sieht es aber auch als Aufgabe der Spielerinnen selbst, für gleiche Rechte einzutreten. Für die Zukunft wünsche sie sich vor allem mehr Anerkennung: Zwar interessiert sie der ständige Vergleich mit Männerfußball nicht, weil er zu nichts führe. „Aber dass irgendwann auch bei uns mehr Zuschauer da sind, das würde ich mir schon sehr wünschen.“
Marie Gogoll
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