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das portraitLu Yen Roloff von Extinction Rebellion kämpft um einen Sitz im Bundestag

Foto: Manuela Clemens

„#EinfachMachen“ ist das Motto der Bundestagskandidatur von Lu Yen Roloff. Die Klimaaktivistin von Extinction Rebellion tritt als parteiunabhängige Direktkandidatin im Wahlkreis 61 in Potsdam gegen Annalena Baerbock (Grüne) und Olaf Scholz (SPD) an.

Als die 43-Jährige und ihr Team sich vor einigen Monaten für den Wahlkreis entschieden, stand noch gar nicht fest, dass Olaf Scholz auch dort kandidieren werde, sagt die geborene Bielefelderin im taz-Gespräch. „Ich wollte einfach in Potsdam leben, wo ich seit vielen Jahren Freunde besucht habe.“

Aber auch strategisch schien der Wahlkreis gut geeignet. „Weil CDU und SPD hier unter 30 Prozent sind und tendenziell auf dem absteigenden Ast, sodass man überhaupt eine realistische Chance auf das Direktmandat hat.“ Als sie erfuhr, dass Olaf Scholz kandidiert, dachte sie, es sei vorbei mit ihren Chancen auf den Bundestag. „Und dann haben wir uns dazu entschieden, dass es eine sehr gute Möglichkeit ist, auf unsere Themen aufmerksam zu machen.“ Denn mit den Polit-Promis Baerbock und Scholz als Konkurrent*innen kann sie sich medialer Aufmerksamkeit gewiss sein.

Unterstützt wird die Kandidatin mit malaysischem Familienhintergrund von der Initiative „Brand New Bundestag“, die es sich zum Ziel gesetzt hat, neue Gesichter in die Politik zu bringen und die Parlamente diverser zu machen. Dabei versteht sich die Initiative als Bindeglied zwischen Zivilgesellschaft und Politik.

Roloff sieht sich als Bewegungspolitikerin, die politische Beteiligung „einfacher machen“ will. „Ich möchte nicht diejenige sein, die mit einem komplett fertigen Programm ankommt und sagt, so müssen wir das jetzt machen.“ Das Ziel ihrer Wahlkampagne sei es, mit Menschen gemeinsam Lösungen zu entwickeln und mit bereits vorhandenen Ressourcen zu arbeiten.

Die gelernte Journalistin will für eine neue Art von Politik stehen, wie sie in den USA von Demokratischen Kandidat*innen wie Bernie Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez etabliert wurde. So war der Wahlspruch von Sanders: „Not me, Us.“ Die ehemalige Greenpeace-Campaignerin hat Ähnliches vor: „Wir wollen eine Bewegung aufbauen“, verkündet sie. Zwar sei die politische Kultur hier eine andere, doch das Grundprinzip müsse auch hier gelten: „Wenn Menschen mit Menschen reden, entsteht eine andere Ebene, als wenn du nur eine Wahlwerbung siehst oder einen Social-Media-Post bekommst.“ Alexandria Ocasio-Cortez schubste 2018 in ihrem Wahlbezirk Bronx in New York den seit Jahrzehnten etablierten Joe Crowley vom Thron.

Ob auch Roloff ein solcher Coup gelingt, ist ungewiss. Das Ziel ist es, 50.000 Stimmen zu sammeln. Das könnte reichen, um das Direktmandat zu holen. Doch ein US-amerikanisches Wahlkampfkonzept auf Deutschland zu übertragen, kann schwierig werden. Ob das klappt, kann sie nur herausfinden, wenn sie es einfach macht. Jordi Ziour

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