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das portraitDer Syrer Wael Khedr hilft seinen Landsleuten jetzt von Dresden aus

Foto: Sven Ellger

Auch Wael Khedr hat es ins Homeoffice verschlagen. In Dresden, weit weg von seiner syrischen Heimat und weit entfernt vom türkischen Istanbul, wo seine Frau und seine beiden Kinder noch immer leben. Von dort hat er bislang die Syrienhilfe der bekannten Dresdner Hilfsorganisation Arche Nova organisiert und koordiniert. Einmalig hinreisen dürfte er wohl, „but no return“, ohne Rückkehr, winkt er ab. So wird es wohl umgekehrt kommen: Sobald das Grenzregime nach dem erhofften Abklingen der Pandemie wieder etwas gelockert wird, will auch seine Familie in die sächsische Landeshauptstadt folgen. Nur seine 72-jährige Mutter harrt nahe der türkischen Grenze im Norden Syriens aus. Aus Idlib ist auch sie geflohen.

Wael Khedr, 1975 in Saudi-Arabien geboren, lebte als studierter Wasserbauingenieur bis 2013 in Aleppo. Kurz zuvor war er der Kontaktgruppe von Arche Nova in Syrien begegnet und ist seit 2014 Mitarbeiter. Seit 1992 hat der spendenfinanzierte Verein mit weltweit 220 Helfern in 45 Ländern Hilfsprojekte angeschoben. Durch den syrischen Bürgerkrieg ist der arabische Raum ein Brennpunkt geworden. Die Wasserversorgung spielt hier eine zentrale Rolle, und ein Trinkwasserexperte wie Khedr kam gerade recht. Ein besonnener, ausgeglichener Typ ist er obendrein. Trotz seines harten Schicksals als Geflüchteter schaut sein rundliches Gesicht freundlich.

Eine leidenschaftliche politische Parteinahme im Konflikt zwischen den Rebellen und dem Assad-Regime ist ihm nicht zu entlocken. „Wir ergreifen nicht Partei, wir helfen allen Menschen“, erklärt er. Und diese Hilfe ist in doppelter Hinsicht nötiger denn je. Zusätzlich zu der verzweifelten Lage der Bevölkerung im letzten nordöstliche Rebellengebiet um ­Idlib droht der unsichtbare Feind, das Coronavirus. Fast eine Million Syrer ist seit Jahresbeginn vor den Regierungstruppen geflohen.

Was Arche Nova leisten kann, ist im wahrsten Wortsinn nur Nothilfe. 150 Wohnungen wurden notdürftig instand gesetzt, 60 sollen folgen. Wann sie die nächste russische Bombe trifft, weiß niemand. 11.500 Familien mit 2.700 Kindern werden mit Lebensmitteln, Wasser, Decken und Kleidung versorgt. Viele Krankenhäuser seien zerstört, Ärzte geflohen, schildert Wael Khedr die denkbar ungünstigsten Voraussetzungen für die Abwehr des Coronavirus. „Wenn sogar die westliche Welt durch das Virus erschüttert wird, was soll dann erst hier geschehen?“, warnt der Helfer.

Die bislang offiziellen Fallzahlen sind nach seiner Erkenntnis deshalb so niedrig, „weil in der Region Idlib kaum getestet wird“. Wael und Arche Nova können nur für Prävention vor allem in hygienischer Hinsicht sorgen. Wasser- und Seifenzuteilungen sind erhöht worden. Aufklärung der verängstigten Bevölkerung ist dringend erforderlich.

Wie die meisten seiner syrischen Landsleute will auch Wael möglichst bald in seine syrische Heimat zurückkehren. „Aber nicht ohne eine politische Lösung“, schränkt er ein. Und die sei nicht ohne internationalen Einfluss auf beide Seiten möglich, appelliert er. Michael Bartsch

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