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das portraitMaurer mit Mauern im Kopf: Dänemarks Integrationsminister Mattias Tesfaye

Foto: imago

„Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich eine Krawatte getragen habe“, gestand Mattias Tesfaye. Zur Vorstellung des Kabinetts von Dänemarks neuer Regierungschefin Mette Frederiksen habe er sich einen roten Schlips erst besorgen müssen. Vermutlich wird er diesen nun, als neuer Ausländer- und Integrationsminister des Landes, öfter gebrauchen können.

Hatte Mette Frederiksen für ihre Regierungsmannschaft durchaus einige personelle Überraschungen bereit – Tesfaye, der bisherige migrationspolitische Sprecher ihrer Partei, ist keine. Der 39-Jährige hat in den vergangenen Jahren die Ausländerpolitik der dänischen Sozialdemokraten entscheidend mitgeprägt. Diese verfolgen eine harte und teilweise von der der Rechtspopulisten kaum zu unterscheidende Linie. So werde es auch unter ihm als Minister bleiben, erklärte Tesfaye nun. Allerdings wolle er die Integration derer stärker in den Fokus nehmen, die in der Hoffnung auf ein Leben in einem freien und demokratischen Land nach Dänemark gekommen seien: „So wie einst mein Vater Mamo als Flüchtling aus Eritrea.“

Ohne strikte Kontrolle der Migration würde man „die Solidarität in der Gesellschaft untergraben und sie ökonomisch wie kulturell gefährden“, meint Tesfaye. Nur durch eine stramme Ausländerpolitik sei der dänische Wohlfahrtsstaat aufrechtzuerhalten. Und der liegt dem gelernten Maurer am Herzen. 2010 veröffentlichte er das Debattenbuch „Wir sind keine Tiere, aber Deutsche“, in dem er die Entwicklung in Deutschland in der Folge der Agenda-2010-Politik als warnendes Beispiel für Dänemark beschreibt: Es geht um Menschen, die Vollzeit arbeiten, aber von dem, was sie verdienen, „nicht anständig leben können“.

2013 gab der verheiratete Vater von zwei Söhnen ein weiteres viel beachtetes Buch heraus – „Kluge Hände“ –, in dem er beklagt, dass man in der dänischen Gesellschaft nur als Akademiker etwas gelte und als Handwerker nicht für voll genommen werde. Bereits 2005 hatte Tesfaye einen Roman veröffentlicht, in den Folgejahren machte er sich als „bloggender Maurer“ einen Namen als Zeitungskolumnist.

Sein jüngstes Buch, „Willkommen, Mustafa“, zieht eine Bilanz von 50 Jahren sozialdemokratischer Ausländerpolitik. Tesfayes Fazit: Tradi­tionell gehe es der Sozialdemokratie um die Interessen der Arbeitnehmer – also darum, ein Überangebot an billiger Arbeitskraft zu verhindern. Erst durch die 1968er Generation habe die Einstellung „Imagine there’s no countries“, das Ideal einer grenzenlosen Welt, an Einfluss gewonnen. Die heutige, wieder restriktivere Linie der dänischen Sozialdemokraten bedeute also nichts anderes als eine Rückbesinnung auf die Wurzeln, so der 39-Jährige.

Tesfayes eigenes politisches Engagement hatte indes einmal mit „Hoch die internationale Solidarität!“ begonnen: Mit 16 trat er dem Jugendverband der dänischen Kommunisten bei, 2005 wechselte er zur linken Einheitsliste, drei Jahre später zur Sozialistischen Volkspartei. Für die Sozialdemokraten war er 2015 erstmals ins Parlament gewählt worden.

Reinhard Wolff, Stockholm

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