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das portraitAls erste Literatin aus dem arabischen Golf erhält Jokha Alharti den Man-Booker-Preis

Foto: dpa

„In neuen fremden Orten lernen wir uns selber kennen“: Mit diesem Zitat aus ihrem eigenen Werk ist die omanische Schriftstellerin Jokha Alharti am Dienstag in London zur Gewinnerin des Man-Booker-Preises für internationale Literatur gekürt worden – die Jury baute den Satz in die Begründung ein. Alharti erhielt die renommierte Auszeichnung für ihren Roman „Celestial Bodies“ („Himmlische Körper“). Sie ist nicht nur die erste Man-Booker-Preis-Trägerin, die aus einem arabischsprachigen Golfstaat stammt, sondern die erste omanische Autorin überhaupt, deren Werke ins Englische übersetzt wurden.

Ihr nun ausgezeichneter Roman ist 2018 im kleinen, unabhängigen Sandstone-Press-Verlag erschienen und gestattet einen intimen Einblick in eine im Westen kaum bekannte Welt, erzählt aus der Sicht dreier Schwestern: Mayya, Asma und Khowla. Alle drei beschäftigen sich auf unterschiedliche Art mit der Ehe und den Erwartungen, die an diese geknüpft sind – oder versuchen, sie zu vermeiden. Alharti verweist dabei auf eine Gesellschaft zwischen Tradition und Veränderungen. Ihr lebendiger, oft fast poetischer Stil macht geschickt gesellschaftliche Machtverhältnisse sichtbar.

Nicht nur die unterschiedlichen Positionen der Geschlechter, die Widersprüche zwischen arabisch-islamischer und christlich-westlicher Welt oder zwischen ländlichen Wüstengemeinden und dem urbanen Muskat werden von Alharti aufgearbeitet. Ein zentrales Thema ist bei ihr auch die lange omanische Tradition der Sklaverei, die erst 1970 offiziell abgeschafft wurde – und die seither im Geheimen weiterläuft. Der Global Slavery Index 2018 schätzt die Zahl versklavter Personen in Oman auf derzeit rund 9.000. Das sei in Oman „ein sensibles Thema, mehr oder weniger tabu“, bemerkte Alharti jetzt dazu und bezeichnete die Literatur als „Sprachrohr“ dafür. Mitgewinnerin ist ihre Übersetzerin Marilyn Booth, Arabisch­professorin der Oxford-Universität (auf dem Foto rechts). Beide Frauen erhalten das gleiche Preisgeld: 50.000 Pfund (57.000 Euro).

Alharti, 1978 in Oman geboren und Mutter zweier Kinder, lehrt derzeit an der Sultan-Qabus-Universität in Muskat. Promoviert hat sie in arabischer Literatur in Edinburgh. Bisher hat sie zwei Bände mit Kurzgeschichten, ein Kinderbuch sowie vier Romane verfasst. Auf ihrer Internetseite zitiert sie Virginia Woolf: „Es gibt kein Tor, kein Schloss, keinen Riegel, die ihr vor die Freiheit meines Geistes setzen könnt.“ Durchaus mutige Worte für eine Intellektuelle in Oman, wo weiterhin Menschen für ihre Kritik an der Regierung bestraft werden. Von Pressefreiheit oder einem freien Versammlungsrecht kann dort nach Einschätzung der Organisation Human Rights Watch keine Rede sein.

In ein roséfarbenes traditionelles Gewand, eine Abaya, gekleidet, mit weißem Kopftuch und rot lackierten Fingernägeln fasste Alharti ihre Londoner Dankesrede recht kurz. „Ich hoffe, dass dieser Preis ein Fenster zur arabischen und omanischen Literatur öffnen wird“, sagte sie. Eine deutsche Übersetzung ihres Romans steht noch aus. Daniel Zylbersztajn, London

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