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das portraitLabour-Star Fiona Onasanya verliert ihr Parlamentsmandat per Volksbegehren

Foto: imago

„Ich studierte Immobilienrecht, weil es für mich als jenes Juragebiet galt, wo ich am allerwenigsten Menschen ins Gefängnis schmeißen muss“, erklärte Fiona Oluyinka Onasanya einst. Dieses Jahr war es sie selber, die wegen einer unnötigen Lappalie spektakulär hinter Gitter kam. Und jetzt ist sie die erste Parlamentsabgeordnete der britischen Geschichte, die durch ein Volksbegehren ihr Amt verliert.

Ihre Bemerkung machte Onasanya, geboren 1983 in Cambridge, nach ihrer Wahl zur Abgeordneten für die ostenglische Stadt Peterborough bei der Parlamentswahl 2017. Die Juristin und tiefgläubige Christin nigerianischer Abstammung gewann überraschend mit nur 611 Stimmen Vorsprung den bis dahin konservativen und EU-skeptischen Wahlkreis für Labour. Ihr Lebensziel sei, Menschen zu helfen, sagte sie, und sie beabsichtige die erste Schwarze Premierministern Großbritanniens zu werden.

Onasanyas politische Karriere ist eine Aneinanderreihung von Zufällen. Sie wurde von Labour in einem Pub entdeckt, als Parteimitglieder ein Gespräch von ihr über die Unruhen des Sommers 2011 mithörten und sie als Talent anwarben. Ab 2013 bis 2017 saß sie als Labour-Abgeordnete im Kreisrat von Cambridgeshire und wurde stellvertretende Leiterin.

Onasanya galt als Corbyn-nah. Als Parlamentsneuling rückte sie damit schnell in die Fraktionsführung auf. Schon bald nach ihrem Amtsantritt begann jedoch das Ende ihres Höhenflugs – wieder eher zufällig, aufgrund zweier Geschwindigkeitsüberschreitungen.

Was wie eine Bagatelle begann, endete für die Labour-Abgeordnete mit Freiheitsstrafe und Amtsverlust. Denn Onasanya und ihr Bruder Festus, ein Gospelsänger, gaben erst an, dass nicht sie selbst ihren Kleinwagen bei den Vergehen gefahren habe, sondern ihr Bruder. Der gestand jedoch Monate später, falsche Aussagen gemacht zu haben. Sie erhielt eine Freiheitsstrafe von drei Monaten, ihr Bruder sogar zehn. Onasanya verglich sich mit Jesus, sprach von Stress im Parlament und führte ihr Missgeschick auf den Ausbruch einer Episode von Multipler Sklerose zurück. Dennoch wurde ihre Berufung abgelehnt.

Sie saß einen Monat in Haft und wurde dann mit einer elektronischen Fußfessel entlassen – mit der sie auch wieder ins Parlament zurückkehrte. Politisch war Onasanya zumindest einmal noch eine entscheidende Kraft. Am 3. April 2019 entschied sich das britische Unterhaus mit einer Mehrheit von einer einzigen Stimme gegen einen ungeregelten Austritt Großbritanniens aus der EU. Onasanya stimmte mit, was manche als das Zünglein an der Waage sahen.

Für Labour wurde sie eine Belastung. Trotz einer Videobotschaft an ihren Wahlkreis, in der sie ihre Unschuld erklärte, wurde ein Volksbegehren eingeleitet. Zehn Prozent der Wähler in Peterborough hätten für Onasanyas Amtsenthebung unterschreiben müssen – 27,6 Prozent wurden es am Ende der fälligen Frist. Ihr Abgeordnetenmandat wurde sie am Mittwoch mit sofortiger Wirkung los, für den 6. Juni ist eine Nachwahl angesetzt, bei der sie nicht mehr für Labour antreten darf. Daniel Zylbersztajn

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