das portrait: Japans Premier und Antipazifist Shinzo Abe bleibt Chef der Regierungspartei
Mit seiner Wiederwahl als Chef der japanischen Liberaldemokraten (LDP) ist Shinzo Abe der Erfüllung seines Lebensziels nähergekommen. „Jetzt ist die Zeit gekommen, die Überarbeitung der Verfassung anzupacken“, erklärte Abe, der nun drei weitere Jahre Premierminister bleiben kann. „Lassen Sie uns ein neues Japan schaffen!“ Vor allem im Pazifismus der Verfassung sieht Abe eine Fessel für die nationale Souveränität, die Japan mehr als 70 Jahre nach dem Weltkrieg endlich abschütteln soll.
Schon während seiner ersten Amtszeit zwischen 2006 und 2007 hatte der 64-Jährige, dessen Großvater auch Premierminister war, eine Verfassungsreform vorbereitet. Doch damals ging er ungeschickt vor und musste schließlich wegen einer Erkrankung zurücktreten.
Bei seinem zweiten Anlauf ab Ende 2012 wollte Abe frühere Fehler nicht wiederholen. Er konzentrierte sich auf die Wirtschaft – was seiner Linie den Namen „Abenomics-Politik“ einbrachte.
Dabei setzte Abe vor allem auf eine extrem lockere Geldpolitik, die die japanische Währung schwächte, und auf höhere Staatsausgaben. Gestützt von der Erholung der Weltwirtschaft erlebte Japan den längsten Aufschwung der Nachkriegszeit. Für die Wähler gab es daher wenig Grund, Abe abzuwählen – zumal die Kräfte der Opposition seit Jahren zersplittert sind. Zwar gab es Vorwürfe von Vetternwirtschaft gegen Abe – diese glitten aber an ihm ab, weil nicht genügend Beweise auftauchten.
Abe ist zwar weder bei der Bevölkerung noch in seiner Partei besonders beliebt – doch er ruft auch keinen besonderen Widerstand hervor. Seinen ideologischen Eifer hat er stets unterdrückt und immer pragmatisch gehandelt, wenn es angebracht war. So wird ausgerechnet dieser Nationalist als der Premier in die Geschichte eingehen, der Japan für das Ausland geöffnet hat wie niemand zuvor.
Die Zahl der Touristen ist auf 30 Millionen jährlich gestiegen, die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte hat sich in fünf Jahren verdoppelt. Und ab 2019 lässt Japan, um den Arbeitskräftemangel zu lindern, jährlich Hunderttausende Gastarbeiter ins Land.
Diesen Pragmatismus legte Abe selbst bei seinen rechtsnationalen Projekten an den Tag. Anders als sein Mentor Junichiro Koizumi besuchte er die umstrittene Gedenkstätte für Japans Kriegsopfer, den Yasukuni-Schrein, nur ein einziges Mal, um die Annäherung an China nicht zu gefährden. Die umstrittenen Gesetze zu Sicherheit und Geheimnisverrat wurden von seiner Regierung zwar ungeachtet lauter Proteste durchs Parlament gepeitscht, aber kein einziges Mal angewandt.
Ob ihm aber sein Reformtraum in den nächsten drei Jahren gelingt, ist unklar. Denn wegen der Lokal- und Oberhauswahlen sowie dem Wechsel auf dem Kaiserthron im nächsten Jahr könnten die LDP und die verbündete Komei-Partei dazu neigen, dieses heiße Eisen, das Japans Gesellschaft tief spaltet, nicht anzufassen – die neue Verfassung bräuchte eine Mehrheit bei einer Volksabstimmung.
Martin Fritz
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