das ding, das kommt: Regeln mit Rollen
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Sobald es dieser Tage um Regeln geht in diesem mit Hingabe fürs Geregelte ja gesegneten Land, erklingt auch die (zugegeben: immer schon regelmäßig wiederholte) Klage übers undurchschaubare Durcheinander: dass niemand sich im föderalen Schilderwald noch zurechtfinden könne, weil’s sowieso jede/r immer wieder ganz anders handhabe und es überall also längst wieder völlig anders sein könne, als es hier und heute ist. Und selbst im jeweiligen Hier und Jetzt kenne sich doch niemand mehr aus, inmitten dieses überall um sich greifenden „Regel-Wirrwarrs“ oder, bedrohlicher noch: „Regel-Chaos“. Es scheint jedenfalls einiges ins Rollen geraten zu sein, gerade dort, wo die Leute doch gern festen Boden unter den Füßen hätten und wüssten, wo’s langgeht.
Auch dort, wo die Bürgerinnen und Bürger ihn noch ganz unsprichwörtlich haben, den festen Boden unter den Füßen: auf dem guten alten Bürger:innensteig, mitten am durch klare Verkehrsregeln durchgeregelten Ort regelmäßigen Aufeinandertreffens, da steht oder liegt immer öfter eigentlich Mobilitätswendezukunft und also Besserung Verheißendes einfach so wie Abfall im Weg. Nämlich: schon wieder einer dieser laut Hamburger Senat „vor allem bei jungen Menschen beliebt[en]“ und bei anderen wiederum wegen des Herumstehens und -liegens sehr unbeliebten E-Scooter. Weil der so das Vorankommen Unmobilisierter oder anders Mobilisierter behindert und ganz allgemein eben auch vom ungebremst heranrauschenden Chaos kündet, ruft er damit betrauten ebenso wie selbst ernannten Ordnungshüter:innen zu: Regelungs-, also: Handlungsbedarf.
Man habe nun auch seitens der E-Scooter-Verleiher:innen den „Handlungsbedarf in puncto Optimierung der Parksituation und der Verkehrssicherheit“ verstanden, heißt es jetzt regelungshoffnungsfroh seitens des Hamburger Senats. Auf fünf Punkte habe man sich mit den fünf Betreibern in der Stadt geeinigt, die fortan dem Abstell-Chaos Einhalt gebieten sollen: gemeinsame Fußpatrouillen, eine Aufklärungskampagne übers umsichtige Abstellen, eine Beteiligung am Verkehrssicherheitstag am 5. Oktober auf dem Rathausmarkt und die Einrichtung eines zentralen Beschwerdepostfachs (hamburg.escooter@gmail.com) zum Melden rücksichtslos hinterlassener Elektroroller.
Plus, vielleicht das schärfste, weil auf die genannte Hauptzielgruppe (jung, online, ein bisschen unbedarft, aber auch noch lernfähig) passgenau zugeschmiedete Schwert im Kampf gegen das Chaos: Wie in Bremen, wo die Sondernutzungserlaubnis für E-Scooter im Mai nur unter dieser Bedingung verlängert wurde (plus: jeder der zwei Betreiber zahlt dort 100.000 Euro pro Jahr in einen Fonds für Rollerunfallopfer ein), müssen sie nun mit einem Beweisfoto das ordnungsgemäße Abstellen bei der Rückgabe dokumentieren.
Und das ist es doch, was in diesen unsicheren Zeiten wieder Vertrauen schaffen kann in einzelne Regeln und das Regeln im Allgemeinen! Die Bestätigung einer Regel durch eine andere, die Anwendung einer Regel in einer anderen: Die jungen Leute müssen einfach nach der Insta-Story vom gemeinsamen Roller-Ritt mit Freund:innen bloß noch ein weiteres Foto in die Lifelogging-Timeline werfen – also just das tun, was ohnehin für viele längst unhinterfragte Alltagsregel ist. Chapeau! Robert Matthies
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