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das ding, das kommtEin ganz heißes Eisen

Eine Ausstellung in Lübeck zeigt das Bügeleisen als Gegenstand einer leidenschaftlichen Kulturtechnik Foto: Eurico Zimbres/Wikimedia Commons

Es ist eine Kulturtechnik, die polarisiert: Die einen schauen schon ganz verknittert drein, wenn sie wohl oder übel mal zum Plätteisen greifen müssen. Für andere ist das Bügeln „die Tätigkeit im Haushalt, die am meisten Spaß macht“. „Dieses produktive Gefühl, dass man das direkte Ergebnis seiner Arbeit sieht“, findet die deutsche Bügelmeisterin des Jahres 2017, Amina Wohlfahrt, „angenehm“: Das sagte sie nach dem Titelgewinn dem Deutschlandfunk.

Und die Kinderkrankenschwester aus Lübeck geht noch einen Schritt weiter: Als „Mußestunde für sich selber mit einem schönen Ambiente“ gleiche das Bügeln schon der Meditation: „Ich kann mich beim Bügeln zum Beispiel auf meine Atmung konzentrieren.“

Nicht so knitterfrei ist Phillip Shaws Verhältnis zu Eisen und Brett: Weil er so genervt war von der unangenehmen häuslichen Arbeit, hat der britische Fabrikarbeiter und Bergsteiger 1997 aus beidem Sportgeräte gemacht. „Extreme Ironing“ gleich nennt sich die, äh, Sportart, die der Münchner Kai „Hot Crease“ („Heiße Bügelfalte“) Zosseder vier Jahre später auch hierzulande etabliert hat. Etliche Unterdisziplinen sind seitdem entstanden: Beim „Rocky Style“ wird im Gebirge gebügelt, beim „Air Style“ zum Beispiel in Ultraleichtflugzeugen. Freestyle und Synchronbügeln gibt es natürlich auch längst.

Beispiele solch hingebungsvollen Bügelns zeigt ab Sonntag in Lübeck eine Ausstellung in der Geschichtswerkstatt Herrnwyk. Und weil es eine Geschichtswerkstatt ist, zeigen die Macher*innen natürlich auch, wie es so weit kommen konnte: Vom Kohle- übers Satz-, Spiritus- und Gas- bis zum elektrischen Bügeleisen sind etliche mal mehr, mal weniger kuriose Geräte aus der Sammlung des Lübecker Ehepaars Bergbauer zu sehen.

An ihnen lässt sich sozusagen im Vorbeibügeln einiges über die Technisierung des Haushalts-Alltags lernen – und die damit einhergehenden sozialen Faltungen, etwa zwischen der ausgebeulten Arbeiter-Hose und der scharfen Kante, die vom bürgerlichen Knie zum Fuß führt. Oder über die Rolle des Kinderbügeleisens als Spiel- und Erziehungsinstrument zur Einübung solcher Ungleichheiten.

Immerhin: Auch die Verweigerer des Bügelns kommen in der Ausstellung zu ihrem Recht. Nur nicht am Eröffnungstag: Da wird natürlich erst mal um die Wette gebügelt, dass die Eisen glühen. Robert Matthies

„Bügeleisen! Kulturtechnik als Leidenschaft“. Eröffnung mit Bügelwettbewerb: So, 20. 10., 11 Uhr, Lübeck, Geschichtswerkstatt Herrenwyk. Ausstellung bis 19. 4. 2020

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