piwik no script img

das ding, das kommtDen putzigen Gesellen geputzt

Nur drei Gezeitenrechenmaschinen wurden in Deutschland gebaut. In Bremerhaven kann man nun dabei sein, wenn zwei von ihnen restauriert werden Foto: Deutsches Schifffahrtsmuseum

Wie kann man sie nicht behutsam hegen und pflegen wollen? Bei ihrer acht Tonnen schweren großen Schwester aus der DDR und erst Recht bei der mit siebeneinhalb Metern Länge noch klobiger ausfallenden Version des Feinmechanikers Heinrich Rauschelbach, die gerade rechtzeitig vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs fertig war: Da fallen einem eher Wörter wie Koloss oder Ungetüm ein. Aber die erste deutsche Gezeitenrechenmaschine – was für ein putziger Geselle! Zwei Knopfaugen aus kleinen Ziffernblättern, zwei runde Ohren und ein breit grinsender Messschreiber, um der Welt mitzuteilen, wann die nächsten Fluten kommen.

1915 wurde die erste deutsche Gezeitenrechenmaschine nach Plänen des Mathematikers Friedrich J. Kühnen und des Konstrukteurs Reipert gebaut. Im geheimen Auftrag des Reichsmarineamtes, denn ohne Vorausberechnung der weltweiten Gezeiten war der U-Boot-Krieg nicht zu führen. Und auf britische hy­drografische Daten hatte die Kaiserliche Marine keinen Zugriff mehr.

Die komplizierten Berechnungen gehören bis heute zu den schwierigsten Problemen der physikalischen Geografie, in den dafür zuständigen Forschungsinstituten stehen dafür Hochleistungscomputer, um eine Unmenge an Daten und Informationen zu bewältigen. Bevor das analoge Rechenmaschinen übernahmen, brauchten die plietschesten Mathematiker*innen Monate für die Berechnungen, erst Ende des 19. Jahrhunderts gab’s eine verlässliche Methode zur Vorhersage.

Nur drei mechanische Maschinen wurden in Deutschland entwickelt und gebaut, weltweit sind überhaupt nur 30 Gezeitenrechner gebaut worden. Zwei davon, der putzige Geselle und das DDR-Ungetüm, stehen im Deutschen Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven. Und dort darf man nun dabei sein, wenn Historiker*innen, Präparator*innen, Restaurator*innen und Materialwissenschaftler*innen sich um sie kümmern, sie putzen und auch das komplizierte Innenleben auf Herz und Nieren prüfen, auf dass sie bald auch rechnen können. Denn das hat die erste Maschine über all die Jahre verlernt – und das DDR-Ungetüm überhaupt nie verlässlich genug gekonnt.

Bis Mitte Dezember ist die Ausstellung „Der Zahn der Gezeiten – Maritime Schätze unter der Lupe“ zu sehen, regelmäßig kann man dabei auch selbst Hand anlegen, bei „Citizen-Science-Aktionen“. Robert Matthies

bis 15. 12., Deutsches Schifffahrtsmuseum, Bremerhaven

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen