das ding, das kommt: Keine Steine des Anstoßes
Grabsteinkunst, darunter versteht man gewöhnlich: Schön soll der Stein sein, stilvoll, im besten Fall einzigartig wie die Menschen, auf deren Grabstelle er steht oder liegt. Wie er aussehen darf, regeln Friedhofssatzungen genau: Welche Farbe er haben darf; wie die Steinmetzin die Oberfläche bearbeiten darf; ob Buchstaben eingraviert werden müssen oder aufgesetzt werden dürfen; wann eine Inschrift als zu anstößig gilt.
In der Street-Art-Szene wiederum regelt ein ungeschriebenes Gesetz, was als anstößig gilt: Einfamilienhäuser, private PKWs, Denkmäler und historische Gebäude zu bekritzeln oder zu bekratzen, ist verpönt. Und um Grabsteine macht die Künstlerin sowieso einen respektvollen Bogen.
Die Kunstwerke, die der britisch-australische Street-Art-Künstler Will Coles jetzt als Ausstellung der Galerie Oberfett auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg aufgebaut hat, direkt an der historischen Kapelle 7, stellen beide Regelwerke zur Disposition. Rund 40 Grabsteine hat er handgefertigt und als Grabfeld komponiert. Ähnlich sehen sie alle aus: Oben eine rote Fläche mit dem Text „Hello my name was“, darunter eine weiße, darunter wieder eine schmale rote Fläche. Mit einem Stift hat Coles Namen draufgeschrieben: Johanna, Jason, Asimina, ein paar Mal Stefan.
Wie eine Pop-Version eines Soldatenfriedhofs sieht das aus: bis auf die knallige Farbe ein ganz unspektakuläres Angebot, über Erinnerungskultur nachzudenken. Ein gezähmter Coles: In Australien war da nämlich schon ganz anderes zu sehen. Mitten auf einem Feld hatte Coles dort einen Grabstein errichtet. Darauf stand: „In Memory of a Fucking Dumb Cunt“. (matt)
Vernissage: Sa, 11. 8., 15 Uhr, Ohlsdorfer Friedhof/Kapelle 7, Hamburg. Ausstellung bis 11. 9.
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