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das ding, das kommtSpuk und Trug

Der „Fliegende Holländer“, dazu verdammt, ewig auf den Weltmeeren umherzuirren; das mystisch leuch­tende und auch mal ganz spontan unter Wasser tauchende Schiff Caleuche der chilenischen Chiloé-Kultur, auf dem tanzende Hexer angeblich eine ewig währende heiße Party feiern; das Feuerschiff der kanadischen Chaleur-Bucht: Geister- und Phantomschiffe spuken durch die ganze Seefahrtgeschichte.

Ob es sie wirklich gibt oder wie man sich das alles erklären soll, fragt sich nun der Kinder- und Sachbuchautor Olaf Fritsche. Am Mittwoch liest er im Wrack- und Fischereimuseum Cuxhaven aus seinem Buch „Gibt es Geisterschiffe wirklich?“ (Rowohlt 2018, 316 S., 12,99 Euro). Als promovierter Naturwissenschaftler kommt er zu ernüchternden Ergebnissen: Natürlich haben Seefahrer derlei immer wieder gesehen – immerzu waren sie ja krank und übermüdet, oft besoffen, weil man statt fauligem Wasser eben Wein trank.

Aber natürlich hatte das, was dann in ihrem angeschlagenen Matrosenkopf rumspukte, auch Bezugspunkte im Realen. Die Physik erklärt’s: Geisterschiffe, aber auch Magnetberge, Riesenkalmane und andere Meeresmythen, sind letztlich meist Fata Morganen, die entstehen, weil Lichtstrahlen beim Wechsel von kalten zu warmen Luftschichten Bilder von anderen Orten an den Standort des Betrachters projizieren. Erzählen wollte man jedenfalls zu Hause schließlich auch lieber von Ungeheuern und anderem Abenteuerlichen als von Flauten und stumpfsinnigem Deckschrubben.

Und mitunter konnte das ja auch der Karriere dienen: Dass Nicholas Monsarrat als Offizier auf dem britischen Minenräumer „HMS Jubilee“ im August 1942 ein bei Flaute flott vorbeirauschendes Phantomsegelschiff gesehen haben will, mag auch damit zu tun haben, dass er in Friedenszeiten seinen Zwieback als Seegeschichten-Autor verdient hat. Allerlei Weltliches also statt Gespenstern und anderen Wiedergängern.

Selbst den Ort, an dem solch See-Spuk dem Gerücht nach gehäuft auftritt, entzaubert der Wissenschaftler: Um mit dem Mythos vom Bermuda-Dreieck aufzuräumen, braucht Fritsche nur ein bisschen Statistik. Vergleicht man das angebliche Verschwinden von Schiffen und Flugzeugen dort mit anderen Schiffsrouten, entpuppt sich das Gebiet zwischen Süd-Florida, Puerto Rico und Bermuda sogar als besonders sicher.

Von Geisterschiffen spricht man ja heute auch eher in Bezug auf ganz andere Problemlagen und Sehnsüchte: Die überfüllten Boote und Schiffe ohne Kapitän und Crew, auf denen Geflüchtete sich auf den gefährlichen und derzeit für etwa jede*n Siebte*n tödlichen Weg übers Mittelmeer nach Europa machen, die werden das europäische Gewissen noch lange heimsuchen. Robert Matthies

Olaf Fritsche liest aus „Gibt es Geisterschiffe wirklich?“: Mi, 25. 7., 19.30 Uhr, Windstärke 10 – Wrack- und Fischereimuseum Cuxhaven

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