piwik no script img

das ding, das kommtWer verliert,gewinnt

Mit Dynamos wird beim Festival „Futur 2“ in Hamburg ein Teil der Bühnen mit Strom versorgt Foto: Ralf Roletschek/ Roletschek.at

Die Idee liegt so nah, dass sie mit wenig Denkkraftaufwand einleuchtet: Wenn man etwas verausgabt, soll auch wieder was reinkommen. Alles andere wäre unproduktive Verschwendung. So ein Fitnesslaufband etwa: Da tritt jemand die ganze Zeit auf der Stelle, um Schritt für Schritt dem Idealbild näherzukommen. Aber der Großteil der eingesetzten Energie: verpufft. Rund um den sich perfektionierenden Körper: nur heiße Luft.

Die einleuchtende Idee also: Schon 2004 luden der Naturschutzbund Nabu und der Verkehrsclub Deutschland (VCD) ins „erste regenerative Fitnessstudio“ Deutschlands. Die Kraft, die auf Fahrrädern, Laufbändern und anderen Geräten in Bewegung umgewandelt wird, wollten Nabu und VCD mit hoch effizienten Transformationsdynamos ins Stromnetz einspeisen.

War nur ein Aprilscherz zum Lach- und Denkmuskeltrainieren, aber in Berlin steht nun echt ein grünes Gym, das Fitnessstrom in Batterien speichert. Um ein paar Mal das Smartphone mit pushender Motivationsmucke aufzuladen, reicht das dicke: Wer 30 Minuten auf dem Fahrrad-Ergometer strampelt, schafft 40 Wattstunden. Oder anders gerechnet: Mit dem erzeugten Strom kann man sich immerhin die verschwitzten Haare trockenföhnen.

Auf andere soziale Orte übertragen, klingt die Dynamo-Idee aber eher nach „Fun ist ein Stahlbad“ und Hamsterrad. Um einen Haushalt am Laufen zu halten, braucht es schon Hingabe: Acht emsige Radler*innen können den Bedarf einer Mikrowelle decken, hat der WDR mal herausgefunden. Für Spül- und Waschmaschine braucht es schon ein hoch motiviertes Team: 25 zum Spülen und 35 zum Waschen.

Aber es gibt noch einen sozialen Ort, wo die Idee vom Sichverausgaben immer mehr mit produktivem Sinn aufgeladen wird: In der aus dem Alltagseinerlei ausbrechenden Ekstase des Fests nämlich, schrieb der französische Verausgabungsphilosoph Georges Bataille – allerdings kritisch gegen den Produktivitätsimperativ gerichtet – werde das Individuum zum „Subjekt auf dem Siedepunkt“.

Beim Festival „Futur 2“ in Hamburg soll dieses siedende Subjekt nun nutzbar gemacht werden: Diesen Samstag soll mit zehn Bühnenstrom-generierenden Fahrrädern bewiesen werden, „dass Ekstase und ein zukunftsfähiger Lebensstil gut zusammenpassen“, wie Veranstalter Björn Hansen sagt. Komplett energieautark soll das Festival mit Sonnenunterstützung werden. Ab 22 Uhr siehts deshalb doch wieder ähnlich aus wie im Fitnessstudio: Da strampeln sie dann bei einer exklusiven, stromsparenden Kopfhörerparty. Robert Matthies

Sa, 26. 5., 12 Uhr, Hamburg, Elbpark Entenwerder,www.futur2festival.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen