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das ding, das kommtBalg befreit

Für den klassischen Akkordeon-Klang interessiert sich Kimmo Pohjonen nicht. In der Elphi battlet der Finne sich jetzt mit der Orgel, und das Abaton-Kino sekundiert Foto: W-film/ Gernot Steinweg

Es ist eine tiefe Hassliebe, die Kimmo Pohjonen zu seinem Akkordeon empfindet: Das war für den Finnen lang nichts anderes als ein Instrument, „das Idioten spielen, um ihren Eltern zu gefallen“. Und genau das hat er selbst jahrelang getan: auf Volksfesten mit Vati und Schlips Humppa und Polka gespielt – auf Finnlands Quasi-Nationalinstrument.

Und dass heute nicht nur sein Umgang mit Balg und Diskant als virtuos gilt, sondern Pohjonen gleich als Befreier, hat damit zu tun, dass er – genauso wie das aerophone Handzuginstrument funktioniert – den Zungenschlag der Tradition unterbrochen hat: „Du musst dich abschotten von den Stimmen der Lehrer, von Eltern und allen, die dir Vorschriften machen“sagt Kimmo Pohjonen in Kimmo Koskelas Dokufilm „Soundbreaker“, der am Freitag im Vorfeld von Pohjonens Konzert in der Elbphilharmonie zum ersten Mal in Hamburg zu sehen sein wird. Im Bild dazu: Pohjonen, ganz allein für sich Akkordeon spielend, wohlgemerkt: durchs Eisloch getaucht, unter Wasser.

Dabei war es ja doch ein Lehrer, der dem „Akkordeon-Punk“ (zu so einem wird ja jeder notwendig ernannt, der ein Instrument spielt und einen Irokesenhaarschnitt trägt) den Weg in die Freiheit zeigte: In Helsinki hörte er als Musikstudent ein Konzert des tansanischen Lammelophon-Spielers Hukwe Zawose. Und brach alles ab, schlief für Monate auf dessen Hof in Zentralafrika – und kam mit offenem Kopf zurück.

Seitdem eröffnet Pohjonen der Ziehharmonika neue Spielwiesen: Bekannt ist er vor allem für seine stil- und medienübergreifenden Hochenergie-Experimente, bei denen er sein Instrument nicht nur klanglich über bislang Bekanntes hinaustreibt. So lässt er schon mal mit 100 Akkordeonbälgen jonglieren oder belebt eine fast vergessene finnische Tradition auf seine eigene Weise wieder: Er begleitet Wrestling-Kämpfe mit dem Akkordeon – besser lassen sich die unvermeidlichen Flatulenzen der Ringenden wohl kaum übertönen.

Immer dabei: viel Licht, Wasser und Feuer, damit alle nach der eindrucksvollen Performance wissen, was „Naturgewalt“ bedeutet. Und auch Pohjonens aktuelles Projekt ist so ein Spektakel: Für „Ultra Organ“ hat er Orgel-Samples ins Akkordeon programmiert, die er im Dialog mit der Elphi-Orgel aufjaulen lassen will, nebst großer Lichtshow. (matt)

„Ultra Organ“: Sa, 24. 2., 20 Uhr, Elbphilharmonie, noch gibt es wenige Restkarten

Hamburg-Premiere von „Soundbreaker“: Fr, 23. 2., 18.30 Uhr, Abaton-Kino; weitere Vorstellungen: Sa + So, 24. + 25. 2., 11 Uhr

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