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das ding, das kommtGraben in der Geschichte

Abgesoffen wären sie, hätten sie nicht jeden Herbst beherzt die Kleischaufeln und Wörbschüffeln in die mit Melkfett vor blutigen Rissen in der Haut geschützten Hände genommen und die Entwässerungsgräben gekleit: Deren Wände mussten begradigt, die Kleierde ausgehoben und verteilt werden. Alle 20 Meter durchzogen Gräben die Marsch, entwässerten in Vorfluter, die über Schöpfwerke in Flüsse wie Elbe oder Pinnau entleert wurden.

Harte, aber eben überlebensnotwendige Arbeit war dieses Grabenkleien noch in den 1950er- und 1960er-Jahren, unter anderem in der Haseldorfer Marsch, wo diese heute durch Drainagen und Pumpen ersetzten landwirtschaftlichen Geräte ab Donnerstag in einer Ausstellung im Elbmarschenhaus zu sehen und am 25. März auch selbst in die eingefetteten Hände zu nehmen sind: Ohne Kleien hätten die Bauern im kommenden Jahr schlicht nichts mehr ernten können.

Irgendwie drängt da derzeit wohl eine tief vergrabene Sehnsucht an die Oberfläche, in der Geschichte der Landwirtschaft im Doppelsinn des Wortes (nämlich: wühlen und liebkosen) zu kleien und im historischen Sinn quasi mal ganz handfest mit der Schaufel zu schöpfen: Auch im Industriemuseum Geschichtswerkstatt Herrenwyk ist ab Donnerstag eine Ausstellung zu sehen, die sich mit der Geschichte des von harter Arbeit geprägten bäuerlichen Lebens im Norden beschäftigt: Sechs Jahre lang hat der Fotograf Rainer Wiedemann für seine Ausstellung „Gute Qualität muss wachsen – Landleben in Schleswig-Holstein damals und heute“ recherchiert, hat historische Aufnahmen mit eigenen Fotos ergänzt und dazu die Lebensgeschichten von 50 Landwirten aufgeschrieben. Robert Matthies

Sonderausstellung „Historische landwirtschaftliche Gerätschaften“: Eröffnung am Do, 15. 2., 18 Uhr, Elbmarschenhaus Haseldorf, Hauptstraße 26. Bis 25. März. Aktionstag am 25. März von 11 bis 15 Uhr.

Wanderausstellung „Gute Qualität muss wachsen“: Eröffnung am Do, 15. 2., 11 Uhr, Industriemuseum Geschichtswerkstatt Herrenwyk. Bis 27. Mai

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