corona in hamburg: „Corona spült Probleme an die Oberfläche“
taz: Herr Sunken, schürt eine fehlende Krankenversicherung die Angst vor Corona?
Jochen Sunken: Das eigentliche Problem gab es schon vorher: Menschen ohne Krankenversicherung. Aber Corona spült Probleme an die Oberfläche, die vorher schon da waren. Wir nehmen auf jeden Fall wahr, dass es eine gesteigerte Nervosität von Menschen ohne Krankenversicherung gibt. Wir vermuten, dass die gesteigerte Nachfrage nach Beratung von Menschen, die keine Krankenversicherung haben, darauf zurückzuführen ist, dass sie täglich damit konfrontiert werden, dass das passieren kann.
Wie viele Menschen haben in Hamburg keine Krankenversicherung?
Es gibt bundesweit 80.000 Menschen ohne Krankenversicherung, laut Mikrozensus. Wenn man die 0,1 Prozent der Gesamtbevölkerung auf Hamburg anwendet, kommt man bei 1,8 Millionen Hamburger*innen auf 1.800 Personen. Das ist aber rein spekulativ.
Wie kommt es trotz Versicherungspflicht dazu, dass so viele Menschen nicht versichert sind?
Man kann sich in Deutschland gar nicht dazu entscheiden, keine Krankenversicherung zu haben. Und das ist auch für die meisten total unproblematisch, weil sie automatisch pflichtversichert sind in der Gesetzlichen Krankenversicherung. Aber das ist beispielsweise anders, wenn man sich selbstständig macht. Da muss man selbst aktiv werden und sich freiwillig gesetzlich oder privat versichern. Wenn man das unterlässt, steht man trotz Versicherungspflicht ohne Krankenversicherung da.
Was passiert, wenn man mit Corona infiziert ist und eine klinische Behandlung benötigt, aber nicht krankenversichert ist?
Es kommt darauf an, ob man gesetzlich oder privat krankenversichert ist. Wenn man beispielsweise Beitragsrückstände in der Gesetzlichen Krankenversicherung hat, dann ruht die Mitgliedschaft. Und von diesem Ruhen ausgenommen sind Leistungen zur Behandlung akuter Erkrankung und Schmerzzuständen. Wenn man unter Corona akut beatmet werden muss, dann wird man auch beatmet und muss das nicht zahlen. Schwieriger wird es, wenn es um eine Anschlussbehandlung geht.
Welchen Rat geben Sie Menschen, die zurück in den Versicherungsschutz möchten?
Wir empfehlen auf jeden Fall eine Beratung in Anspruch zu nehmen, zum Beispiel von einer Verbraucherzentrale. Wir können immer nach Wegen suchen, wie man den Versicherungsschutz wieder herstellen kann. In aller Regel ist es so, dass die Situation nicht von sich aus besser wird. Man muss es irgendwie angehen. Und im Zweifel wird es sogar schlimmer, wenn man lange ohne Versicherungsschutz ist und vermeidet zum Arzt zu gehen und so unter Umständen sich die Chance auf Heilung verbaut.
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