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corona in bremen„Rassismus gegen Roma ist nichts Neues“

Foto: privat

Allegra Schneider, 45, ist Fotojournalistin, Mitglied der Recherchegruppe Bremen und Mitorganisatorin der Online-Diskussion.

Interview Teresa Wolny

taz: Frau Schneider, inwiefern trifft die Coronakrise Rom*nja und Sinti*zze besonders?

Allegra Schneider: Rassismus gegen Roma ist nichts Neues. Aber in der Krise wirkt Soziales noch inklusiver und Unsoziales noch ausschließender. In den Online-Diskussionen gibt es darüber Berichte aus unterschiedlichen Staaten.

Zum Beispiel?

Eine besonders brutale Geschichte kommt aus Nordmazedonien, wo eine hochschwangere Frau, eine Romni, gestorben ist, weil ihr im Krankenhaus während des Wartens auf ein Corona-Testergebnis nicht geholfen wurde. Es gibt Berichte von unzugänglichen Tests bis zur Testung ganzer Roma-Siedlungen unter Einsatz von Militär, was stigmatisierende Bilder noch weiter anheizt. Außerdem gab es Ende letzten Monats Abschiebungen von Deutschland nach Serbien. In einer Zeit, in der die Bewegung von Menschen eingeschränkt ist, werden bestimmte Menschen dadurch in noch unzulänglichere Verhältnisse geschickt.

Was passiert mit den Menschen nach einer Abschiebung?

Normalerweise werden sie am Flughafen einfach rausgeschmissen. Jetzt werden Menschen von der Polizei nach der Ankunft in Einrichtungen gebracht, in denen sie zwei Wochen bleiben müssen. Es gibt viele Rom*nja, die auch nach Jahren in Deutschland noch abgeschoben werden und teilweise nicht einmal die Sprache des Landes sprechen, in das sie abgeschoben werden. Anfang März waren wir das letzte Mal in Serbien, um abgeschobene Menschen zu treffen. Jetzt können wir nur noch versuchen, telefonisch oder digital in Kontakt zu bleiben. Die Menschen werden oft ohne Papiere abgeschoben und haben manchmal nicht einmal eine Staatsbürgerschaft. Die brauchen sie aber, etwa um krankenversichert zu sein oder offiziell arbeiten zu können.

Was erhoffen Sie sich von der Online-Diskussion?

Online-Diskussion „Against racism – Roma in the Corona Crisis“: 20.15 Uhr, Live-Stream z.B. über das Roma Antidiscrimination Network auf Facebook oder über den Kanal „ROMADNESS Strange Movies“ auf YouTube

Wir hoffen, dass Leute sich kennenlernen, um die Arbeit fortzuführen, wenn auch unter veränderten Bedingungen. Darüber hinaus erfahren wir durch kleine Alltagserzählungen Dinge, die wir sonst nicht mitkriegen würden. Es gibt während der Krise teilweise etwa staatliche Unterstützungen, die auch für Rom*nja von Vorteil sind. Der Stream ist auch eine Onlinekonferenz für uns als Netzwerk, das seit Jahren zusammen recherchiert, informiert und Bleiberechtskämpfe unterstützt. Aber wir wollen auch mit den Zuschauer*innen in Kontakt kommen. Unsere Berichte setzen der Erzählung von Wirtschaftsflüchtlingen oder der ausgenutzten Sozialsysteme etwas entgegen. Wir versuchen, ein differenziertes und informiertes Bild über die strukturelle Diskriminierung von Rom*nja und Sinti*zze zu schaffen.

Der heutige Live-Stream ist schon die zweite Folge. Wie viele sind noch geplant?

Momentan sind zwei weitere geplant und es werden noch mehr werden. Wir sammeln möglichst viele Stimmen, nicht nur aus dem Balkan, sondern aus ganz Europa.

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