corona in bremen: „Mit voller Wucht trifft die Krise die Menschen am Anfang der Lieferkette“
Susanne Mewis,
ist eine der Leiter*innen und Geschäfts-führer*innen des Weltladens im Bremer Viertel, der unter Corona-Bedingungen auf Lieferungen mit dem Lastenrad setzt.
Interview Mahé Crüsemann
taz: Frau Mewis, die Läden haben ja momentan geschlossen, wie gehen Sie damit um?
Susanne Mewis: Der Ladenverkauf wurde komplett eingestellt und unsere freiwilligen Mitarbeiter*innen, etliche von ihnen älter als 65 Jahre, sind nicht mehr im Einsatz. Das hauptamtliche Team macht in Kurzarbeit weiter und für das Ausliefern der Ware sind jüngere Freiwillige unterwegs. Seit der Schließung haben wir einen Bestell- und Lieferservice aufgebaut. Über verschiedene Kanäle, Schaufenster, unsere Website, unseren Newsletter, Facebook, Instagram und die Viertel-Seite, machen wir auf dieses Angebot aufmerksam.
Wie organisieren Sie Ihren Lieferdienst?
Stammkund*innen kennen unser Angebot und bestellen direkt ihre Lieblingsprodukte. Für alle anderen haben wir begonnen, Produktbeispiele sowie eine Liste unserer Lebensmittel-Renner zu erstellen und online zu bewerben. In den letzten zwei Wochen ging es vor allem um unsere „Oster-Challenge“, das heißt, unsere Ostersüßigkeiten sollten noch möglichst alle von unseren Kundinnen und Kunden bestellt werden. Tatsächlich haben jetzt alle Schoko-Osterhasen, Schoko-Eier und andere Osterleckereien unseren Laden in Richtung der Osternester verlassen. Auch Ostergrußkarten und Geschenkideen waren gefragt. Die Bestellungen gehen telefonisch oder per Mail ein. Wir packen die Ware, legen eine Rechnung dazu und suchen Freiwillige für die Auslieferung per Fahrrad. Einzelne Päckchen wurden auch per Post verschickt.
Wie läuft so etwas dann ab? Klappt es immer mit den Lieferungen?
Mit den Lieferungen klappt es fast immer reibungslos. An manchen Tagen jetzt vor Ostern kamen auch etliche Bestellungen zusammen, wofür wir unseren Kund*innen sehr dankbar sind. Dennoch sind wir vom Umsatz her weit entfernt vom regulären Ostergeschäft. Abzuwarten bleibt, wie es sich weiter entwickelt. Besonders hervorzuheben ist die tolle Solidarität, die wir von Kund*innen erfahren. Viele möchten gerade jetzt die kleinen Geschäfte im Viertel unterstützen. Wir merken, wie sehr ihnen die Vielfalt der kleinen Einzelhändler hier am Herzen liegt. Auch die Kooperation der Geschäftsleute untereinander läuft richtig gut.
Wie wirkt sich die Corona-Krise auf Ihre Produzenten und Zulieferer aus?
Wir merken bislang noch nichts davon, wie sich die Corona-Krise auf Produzenten und Zulieferer auswirkt. Wir hören über unsere Zulieferer aber sehr viel zu den Auswirkungen vor Ort bei unseren Handelspartnern. Mit voller Wucht trifft die Corona-Krise besonders die Menschen am Anfang der Lieferkette: die Näherinnen in Bangladesh, Indien, Nord-Mazedonien …und die gesamten Produzent*innen im globalen Süden, die keinen Schutzschirm oder Rücklagen besitzen und oftmals direkt von Hunger betroffen sind. Es erreichen uns Stimmen unserer Produzent*innen, wie Sie von der Corona-Krise betroffen sind, aber auch wie dort solidarisches Handeln gelebt wird. Ein Beispiel kommt von einem Zuckerrohr-Handelspartner auf den Philippinen, PFTC. Der hat sich einer Allianz von 19 Organisationen angeschlossen, um diejenigen in der Gesellschaft zu unterstützen, die am stärksten von den strikten Ausgangssperren betroffen sind. So wurden ca. 17.000 Flyer über COVID-19 verteilt sowie Lebensmittelpakete mit Reis, getrocknetem Fisch und Lebensmittel-Dosen, denn viele haben ihre Jobs verloren. 110 besonders bedürftige Kinder wurden mit Nudelsuppe und Bananen versorgt und man hat Sets mit Alkohol zur Desinfektion sowie Seife verteilt, außerdem wurden Gesichtsmasken hergestellt.
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