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corona in bremen„Ich kann das langsam nicht mehr hören“

Mahé Crüsemann

Maik Reichstein, ist über 50 und seit einigen Jahren arbeitslos. Er verkauft die „Zeitschrift der Straße“ und hatte einen neuen Job bei einer Werft in Aussicht – aber die Corona-Krise hat das verhindert.

Interview Mahé Crüsemann

taz: Herr Reichstein, was machen Sie jetzt, da wegen Corona alles still steht?

Maik Reichstein: Nichts kann ich machen! Ich bin immer noch arbeitslos gemeldet. Der neue Job, den ich in Aussicht hatte, ist jetzt auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Ansonsten warte ich ab. Ich verkaufe die „Zeitschrift der Straße“, um für mich und meine Familie etwas dazu zu verdienen. Es sind zwar im Moment weniger Leute auf der Straße, aber die Zeitschriften kann ich trotzdem ganz gut verkaufen.

Belastet Sie die Situation?

Nein, eigentlich nicht. Ich stehe immer noch um sieben auf, trinke meinen Kaffee und esse mein Brötchen. Ich habe viel Zeit für meinen Hund und gehe viel spazieren. In meiner Wohnung habe ich einen Obdachlosen aufgenommen. Wir wohnen hier jetzt zu zweit. Das ist etwas eng, aber es geht schon.

Wie vertreiben Sie beide sich denn die Zeit?

Wir gehen einkaufen, sind aber sonst viel drinnen. Ich habe mir ganz viele DVDs gekauft, die schaue ich jetzt. Überall in den Nachrichten geht es ja nur noch um Corona. Jeden Abend schaue ich „buten un binnen“, damit ich weiß was passiert. Sonst lese ich aber keine Nachrichten mehr, ich kann das langsam nicht mehr hören. Es wird echt ein bisschen viel.

Treffen Sie noch Freunde oder Ihre Familie?

Nein, im Moment nicht. Mein Sohn hat vor kurzem ein Kind bekommen. Ich habe ihn angerufen und gesagt, dass wir uns erst einmal nicht mehr treffen sollten, auch, um meinen Enkel zu schützen. Eigentlich habe ich mich immer viel mit Freunden getroffen und war viel draußen. Jetzt bin ich meist alleine mit meinem Hund draußen und bin auch nicht so viel unterwegs. Das ist auf jeden Fall eine neue Erfahrung für mich. Da muss ich mich ein bisschen umstellen.

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