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clowns & pappnasen

die italienische schauspielerin francesca de martin lebt und arbeitet seit 1979 in bremen  ■  hier foto 2

foto: steinberg

taz: du lebst seit 1979 in deutschland, wie war zu der zeit die situation des freien theaters in italien und vergleichsweise in der bundesrepublik?

francesca de martin: 1979 war das leben für freie künstler in italien viel einfacher als in deutschland, für freie theatermacher gab es viele möglichkeiten, auch geld für festivals. die creme de la creme der freien theatergruppen arbeitete auf den straßen, spielte neue, aufregende, interessante stücke. in deutschland dagegen trugen die clowns noch rote pappnasen.

und wie ist die situation heute in beiden ländern?

in italien ist jetzt gerade ein gesetz verabschiedet worden, nachdem die freien theatergruppen ca. zweihundert aufführungen im jahr zu absolvieren haben - eine unmenschliche forderung, die nur mit der großen zahl von theatergruppen zu erklären ist, und mit dem versuch der regierung, eine gewisse übersicht behalten zu können. die theaterleute müssen heute, um überleben zu können, politiker werden.

deine arbeit ist geprägt von der italienischen kultur, von der mentalität deiner heimat. ist es deine art von überlebensstrategie im grauen deutschland, dass du dein heimweh produktiv in szene setzt?

ich habe mich nicht aus beruflichen gründen entschieden, in deutschland zu bleiben, sondern aus herzlichen, aus liebes -gründen. im grunde ist bremen eine stadt wie jede andere, und ich kann hier arbeiten wie überall. nur: ich wünsche mir eine breitere zusammenarbeit in der freien theaterszene. wir müßten uns noch mehr professionalieren, als wir es bisher getan haben. wir sind zwar viele gruppen oder künstler in bremen - aber wir nehmen uns keinen Platz weg. und trotzdem gibt es untereinander viel neid, haß und konkurrenz. Das ist unproduktiv, gerade für uns.

wie schätzt du die situation des freien theaters in bremen ein?

deutschland ist ein neues land für das freie theater. natürlich gibt es keine unterstützung von staatlicher seite, das hat seine vor-und nachteile. die behörden tun sich schwer mit der anerkennung unserer arbeit.

nun läuft zur zeit in bremen das 1. polit-theater-festival. doch du fehlst auf dem programm, wie alle anderen ausländischen freien künstler, die in bremen leben und arbeiten.

ich habe erst von dem festival erfahren, als das programm gedruckt war. leute aus bonn haben das festival organisiert natürlich würde ich auch gerne teilnehmen, obwohl ich das programm nicht kritisieren möchte. aber am meisten bedauere ich, daß ervi und alvi nicht eingeladen sind, denn sie machen wirklich politisches theater. Ich mache auch politisches theater, aber meine stücke sind nicht so offensichtlich politisch, sie wirken politisch - auf den zweiten blick.

wie stellst du dir in zukunft die arbeit des freien theaters in bremen vor?

Wie gesagt, ich wünsche mir, daß wir hier in bremen mehr zusammenarbeiten.

Ich persönlich bin dabei, ein frauentheaterfestival zu organiseren, das im nächsten herbst stattfindet. Es gibt viele frauen, die theaterarbeit machen, die sich mit und durchs theaterspielen ausdrücken können und wollen - doch wir sind immer noch eine minderheit. das soll sich ändern.

interview: regina keichel

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