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büchersendung, quo vadis? von MICHAEL RUDOLF

Einstmals hat es paradiesische Zustände gegeben. Staat und Post kamen ihrer Verantwortung vorbildlich nach und unterstützten die Bücherfreunde dieses Landes mit einwandfrei an christlichen Grundwerten orientierten Gebühren. Doch dann kam der Postminister Bötsch, dem einfiel, wie viel Bücherfreunde es im Land gebe; und ihm fiel auch ein, wie man diese sehr gutmütige Bevölkerungsgruppe ordentlich schröpfen, wie man ihr den Glauben an die Segnungen der Evolution ruckzuck austreiben könne. Seither aber heißt das Übel Büchersendung-Standard, Büchersendung-Kompakt, Büchersendung- Groß und Büchersendung-Maxi. Zu entrichten sind 80 Pfennige, 1,10, 1,50 oder 2,50 Mark. Standard zum Beispiel geht bis zu einem rätselhaften Gewicht von 20, Kompakt bis 50 Gramm. Gewiss haben sich die Poststalinisten damit astrein saniert, im Gegenzug aber tausende kleiner Verlage und freier Autoren in den Ruin getrieben.

Wir verstehen ja, dass die Post ihre Preise der Inflation, den gestiegenen Kosten für sonst was (bessere Matratzen, auf denen die Belegschaft den Dienst verschlafen kann etc.) angleichen muss. Wenn das nur alles wäre! Kraft dieser Tarife fühlt sich die Post AG nicht mehr an prinzipielle Versprechen gebunden. Die Zustellexekutive darf nach Herzenslust unfreundlich sein, die schiefen Schalterdamen hantieren mit schikanösen Schieblehren und Briefwaagen, um jeden überstehenden Zehntelmillimeter der Verpackung mit Bannflüchen zu belegen und verstockte Büchersender in die neuerdings eingerichteten Arrestzellen zu spedieren, auf dass sie anderen Sinnes würden. Grundsätzlich sei „offener Versand“ erforderlich, fordern sie obendrein. Und zwar, um uns Bücherversendern die Freude an dieser Beförderungsvergünstigung zu vergällen.

In einem muffigen Verlies nebenan aber lümmeln einmal pro Woche internierte Postbeamte nach Feierabend ihre Strafstunden herunter und geben ein Misstrauensvotum nach dem anderen ab, ob wirklich Bücher drin sind, schmökern probehalber die ersten hundert Seiten, machen Eselsohren und Butterbrotflecke rein. Sie rufen auch gelegentlich beim Bücherversender an, wie sie das Buch so fänden, verkünden, dass man diese oder jene Büchersendung retournieren müsse, weil sich zufällig CDs, Markenbekleidungsstücke oder Waffenteile darin befunden hätten. Landkarten und Notenblätter hingegen seien erlaubt, ja sogar erwünscht.

Die „richtigen“ Büchersendungen werden sodann einem komplizierten Abstimmungsverfahren der Gesamtbelegschaft unterworfen und nach ungefähr zwei Wochen in einem grünen Drecksack gesammelt, der bei solcherlei Rigorismus selbstverständlich nur langsam voll wird. Immerhin. Irgendwann wird der Sack doch mal voll und kann eventuell an die Zustellexekutive übergeben werden. Aber so kurz vor Dienstschluss verhelfen die höchstens der Bezeichnung Postwurfsendung zu ihrem Recht. Was bei „offenem Versand“ auch seine Reize hat. Alles schön und gut – nur: Wohin soll das noch führen?

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