bücher aus den charts : die show muss weitergehen – auch für joachim fuchsberger
Es gibt so ein paar Unterhaltungsfiguren, an denen man einfach nicht vorbeikommen konnte, wenn man mit halbwegs offenem Visier in der alten Bundesrepublik aufwuchs. Zu ihnen gehört Joachim Fuchsberger. Man erinnert sich etwa an die Verfilmung von „Das fliegende Klassenzimmer“ aus dem Jahr 1973. Immer wieder wird behauptet, dies sei die schlechteste aller Versionen, und dennoch verbindet man mit dem Hauslehrer Bökh seitdem stets das Gesicht Fuchsbergers, diese klassische Mimik, die in Kontrast stand zur absurden Siebzigerjahremode, in die seine Schüler gekleidet waren. Oder die fünfteilige Filmreihe mit Dudu, dem Superkäfer, in der Fuchsberger einen grandiosen Auftritt hat – er spricht von seinem Haus als „Bangalow“. So stellte man sich die weite Welt vor.
Im März ist Fuchsberger 80 Jahre alt geworden, nun ist ein Buch von ihm erschienen, eine Autobiografie in Anekdoten und Erinnerungssplittern, „Geschichten aus meinem Leben“ untertitelt. Dreierlei steht nach der Lektüre des Buches fest. Erstens: Fuchsberger hat historische Situationen stets sehr unmittelbar, geradezu physisch erfahren. Anders gesagt: Er hat eine Menge erlebt. Zweitens: Er verfügt offenbar über die Intuition, sich im entscheidenden Moment schnell und richtig zu entscheiden. Drittens: Anscheinend ist jene Gabe das Produkt einer Geisteshaltung, die man mit viel Freundlichkeit als naiv umschreiben kann – es sei denn, auch das wäre wiederum die geschickte Volte eines Unterhaltungsprofis.
Erstaunlicherweise erfährt man zwar viel über die äußere Biografie, in deren Kommentierung versteckt sich Fuchsberger jedoch nicht selten hinter Phrasen und sachlichen Details. Der Vater, ein strammer Nazi, verprügelt ihn nach einem Kleindiebstahl brutal mit der Peitsche und redet acht Monate lang nicht mit seinem Sohn – der greift zu Franzbranntwein und Tonerde, um die Blessuren zu versorgen. Hitlers Regierungsübernahme kommentiert Fuchsberger so: „Die Welt hatte sich verändert. Nicht nur meine kleine, Heidelberger-Handschuhsheimer Welt, nein, der ganze Globus. Die Menschen auf ihm wussten noch nicht, was ihnen bevorstand. Deutschland blühte auf. Im Januar 1933 hatte dieser Herr Hitler die Macht ergriffen und sollte sie nicht mehr loslassen, bis unser wundervolles Deutschland in Schutt und Asche versank.“
Die Entjungferung im Alter von 15 Jahren (die Bild-Zeitung hat ja bereits berichtet) wird mit folgender Bemerkung intoniert: „In Anbetracht der Umstände legten wir unsere Bekleidung nicht wie gelernt ordentlich gefaltet auf den Hocker neben dem Bett.“ Zum Thema eheliche Treue lesen wir dies: „Ist man stark genug, auf vieles zu verzichten, was Spaß macht, wo einen das Fell juckt oder starke Gefühle locken? Ich bin weit davon entfernt, den Moralapostel spielen zu wollen, aber verdammt noch mal, viele machen es sich einfach zu leicht.“ Joachim Fuchsberger, das muss man geradezu bewundernd konzedieren, hat es sich nicht immer leicht gemacht; hat nach dem Krieg als Bergmann gearbeitet, hat sich seine Unterhaltungskarriere durch Arbeit aufgebaut, war kein glänzender Rhetoriker, der das Publikum mit Brillanz für sich einnahm, sondern einer, der mit Charme und vor allem mit Beharrlichkeit nach oben kam.
Das Richtige tun heißt manchmal auch, gar nichts zu tun. Als Stadionsprecher bei den Olympisch en Spielen 1972 bekam Fuchsberger während der ohnehin gedämpften Schlussfeier die Information, dass sich zwei Flugzeuge dem Stadion nähern, „möglicherweise Bombenabwurf“ stand auf dem Zettel; die VIP-Tribüne wurde bereits geräumt. Fuchsberger überlegte – und schwieg; die beiden Flugzeuge erwiesen sich als harmlos. Es ist die beklemmendste Szene des Buches; fast scheint es so, als bräche kurz ein Panzer auf. Dann geht die Show weiter. CHRISTOPH SCHRÖDER
Joachim Fuchsberger: „Denn erstens kommt es anders … Geschichten aus meinem Leben“. Gustav Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 2007, 349 Seiten, 19,95 Euro