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buchtippDie letzte Reise

Zum Sterben

Tod, genauso wie sein hilfreicher Gesell, die Krankheit, werden in unserer modernen Gesellschaft gern in den klinisch reinen Raum der Hospitale verbannt. Todesrituale, wie die hier in Mexiko beschriebenen, gehen immer mehr verloren. Tod ist fast ein Tabu, wo uns doch fast jede Packungsbeilage die diesseitige Glückseligkeit verspricht. Sterben tut man ganz privat und immer häufiger allein.

„Und was kommt dann? Das Kinderbuch vom Tod“ von der Schwedin Pernilla Stalfelt geht völlig selbstverständlich mit dem Sterben um. Wo gelebt wird, wird gestorben – das gilt für die Fliege genauso wie für den Menschen. Nach dem Motto „sterben müssen Mensch und Tier, und können tun sie nichts dafür“ geht das Buch mit Wort und Bild auf die dringendsten Fragen rund um den Tod ein. Unpathetisch und voller Humor spielt es unterschiedliche Erklärungsmuster und Mythen, die sich um den Tod ranken, durch.

„Du fragst dich wohl, wohin man kommt, wenn man stirbt? Das weiß niemand.“ Dann kommt eine Aufzählung der Möglickeiten: Vielleicht fliegt die Seele aus dem Körper hinaus, vielleicht wird es einfach schwarz oder geblümt oder golden. Vielleicht wird man auch zur Blume oder zum Baum oder ein Vogel? Aber was wird, wenn man zur Bratwurst wird? Nein! Dann vielleicht doch lieber ein Vampir?

Vor allem die Zeichnungen zum Text nehmen dem Tod jegliche Dramatik: Ob nun einer ins Gras beißt, von uns geht oder flappsig den Löffel abgegeben hat – die Bilder, die den Tod umschreiben, sind ziemlich einfach gestrickt, wenn man sie wörtlich nimmt und so zeichnet.

Das bedrohliche Skelett wird plötzlich zu einer Spielart des Lebens. Nämlich zum Endspiel. Dass es dabei auch Trauer und schmerzliche Erinnerung gibt, ist so selbstverständlich wie der Tod selbst. Ein wunderschönes Kinderbuch, das sich mit Leichtigkeit unser aller Grauen annimmt, denn: „Auf Sommer folgt der weiße Schnee. Auf Leben Tod, das ist okay. Danach ist alles nicht mehr schwer, und die Toten werden mehr.“

Pernilla Stalfelt: Was kommt dann? Das Kinderbuch vom Tod. Moritz Verlag, Frankfurt 2000, 19,80 DM

Der Klassiker zum Sterben ist die „Geschichte des Todes“ von Phillippe Aries. In zwanzigjähriger Forschungsarbeit hat Aries ärcheologische, literarische und liturgische Quellen gesichtet, Sterberiten und Bestattungsbräuche untersucht. Entstanden ist eine Geschichte der Einstellung des Menschen zum Tod und zum Sterben. Fast zwei Jahrtausende, konstatiert Aries, blieb im Abendland die Grundeinstellung der Menschen zum Tod nahezu unverändert. Der Tod war ein vertrauter Begleiter, fester Bestandteil des Lebens. Seit dem 19. Jahrhundert hat sich ein entscheidender Wandel vollzogen. Der Tod ist für den heutigen Menschen mehr denn je Angst einflößend und unfassbar. Der Tod sei in der modernen, leistungsorientierten Gesellschaft nicht eingeplant. Der Mensch stirbt oft einsam und um „den eigenen Tod betrogen“.

Phillippe Aries: „Geschichte des Todes“, dtv 1999 Erstgausgabe 1980, 835 S., 29,90 DM

EDITH KRESTA

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