buchtipp: Wer nervt?
Pünktlich zur WM hat der Eichborn Verlag ein Buch über die Mentalität der Japaner herausgebracht. Geschrieben ist es von einem Insider, dem deutschen Softwareentwickler Christoph Neumann, der seit 1995 in Japan lebt. In 19 Kapiteln legt er den „ungeschminkten Wahnsinn des japanischen Alltags“ dar. Er schreibt über die Unsitte, ständig die Schuhe wechseln zu müssen, über die mangelnde Selbstständigkeit der Japaner, die auf Vorschriften bis ins kleinste Detail angewiesen sind, über ihre Unfähigkeit, einfach Spaß zu haben, über …
Man ahnt es schon: Neumann kennt keine falsche Scham. Auf 157 Seiten hämmert er dem Leser seine Erkenntnis ein: Japaner nerven. Damit mag er zum Teil durchaus Recht haben: dass es für Ausländer praktisch unmöglich ist, von Japanern als gleichwertiger Mensch anerkannt zu werden, ist bekannt. Nicht umsonst geben sich die Werbebroschüren von Sprachreiseveranstaltern gerade bei Japan besondere Mühe, dem Kunden durch die Blume zu erklären, dass Japan schwierig ist.
Das ist aber noch kein Grund, sich in einer derartige Tirade gegen ein Volk zu ergehen – oft genug zusätzlich untermauert mit dem Vergleich „während bei uns Deutschen …“ Bei so viel Widerwillen gegen Japan fragt man sich, was den Autor überhaupt dort hält, wo es doch anderswo, speziell in Deutschland, viel besser ist. „Komm doch wieder heim“, möchte man ihm zurufen, wäre da nicht die stille Freude, dass dieser Mensch so weit weg zumindest hier niemandem auf die Nerven fallen kann. MARTIN HAGER
Christoph Neumann: „Darum nerven Japaner. Der ungeschminkte Wahnsinn des japanischen Alltags“. Eichborn Verlag 2002, 157 S., 12,95 Euro
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