piwik no script img

brüsseler spitzen„Hamlet“ ist abgesagt

die eu-parlamentskolumne

von Eric Bonse

Kleine Bühne, großes Theater. So sollte der Pressesaal der EU-Kommission in Brüssel sein. „Dies ist die Kommission der letzten Chance“, hatte Behördenchef Jean-Claude Juncker beim Amtsantritt 2014 verkündet. „Wenn wir es nicht schaffen, dann ist die EU nicht zu retten.“

Es klang nach „Hamlet“, Sein oder Nichtsein eben. Doch der Alltag ist anders, eher auf Provinzniveau. Nur einmal wurde hier Shakespeare aufgeführt, auf dem Höhepunkt der Schuldenkrise um Griechenland 2015. Da trat Juncker mit Leichenbittermiene vor die Presse.

„Ich fühle mich verraten“, rief er in den Saal. Regierungschef Alexis Tsipras setze die Zukunft Europas aufs Spiel. Tsipras hatte zwar nur ein Referendum über neue harte Sparmaßnahmen angesetzt. Doch dieser Streit wurde inszeniert wie eine existenzielle Bedrohung.

Zwei Jahre später geht es wirklich ums Ganze – US-Präsident Trump setzt auf neue EU-Austritte und einen Zerfall der Union. Doch der Pressesaal der Kommission ist wieder auf Provinzniveau. Juncker drückt sich vor seinem nächsten großen Auftritt.

Zwar drängen ihnen die Journalisten, endlich wieder den Hamlet zu geben. Kann die EU dem neuen US-Präsidenten die Stirn bieten? Was will sie gegen Trumps Einreiseverbote unternehmen, wie reagiert sie auf dessen designierten EU-Botschafter Ted Malloch? Fragen über Fragen.

Juncker könnte sie beantworten und erklären, wie er Europa wieder great machen will. Doch Juncker kneift. Er schickt seine Sprecher vor. „Hamlet“ ist abgesagt, jetzt kommt Radio Eriwan. Im Prinzip läuft alles bestens, lautet die Devise. Wir werden doch nicht Trump kommentieren. Wie kommentieren auch keine Tweets. Und überhaupt, wo ist das Problem?

Selbst einfache Fragen werden nicht mehr beantwortet. Wie läuft eigentlich die Akkreditierung eines EU-Botschafters? Könnte die EU dem Trump-Buddy Malloch die Zustimmung verweigern? Reicht ein einziges Veto, oder braucht es dafür eine Mehrheit der 28 EU-Staaten?

Junckers Sprecher winden sich. Sie wissen nur zu gut, dass das Europaparlament Malloch die Akkreditierung vorenthalten will. Sie wissen auch, dass dieser Malloch das Ende des Euros in einem oder anderthalb Jahren vorhergesagt hat. Sie wissen, dass es ernst ist.

Doch sie sagen nichts. Die „politische Kommission“, die Juncker versprochen hatte, ist abgetaucht. Wenn es um Sein oder Nichtsein geht, dann schweigen die EU-Beamten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen