brief des tages:
Zarte Seelen
„Glückwunsch“ für Schriftstellerin Gudrun Pausewang, taz vom 3./4. 3. 18
Armer Martin Reichert, da sind Sie also durch das Lesen eines Jugendbuchs dermaßen traumatisiert worden, dass Sie noch mehr als drei Jahrzehnte später dessen Verfasserin die Verwendung schwarzer Pädagogik vorwerfen? Hat Ihnen damals niemand verdeutlicht, dass man unangenehme Bücher zuklappen und weglegen kann? Ist daher die einzig mögliche Konsequenz aus diesem Leseerlebnis, im Erwachsenenleben retrospektiv einen fröhlichen Eskapismus zu propagieren, verbunden mit einem hämischen „Ätsch, der Atomkrieg ist doch nicht gekommen“? Hat dazu etwa nicht das Engagement jener beigetragen, die gegen Wettrüsten in welcher Form auch immer protestiert, also mehr als „aggressiv gut gelaunte“ Ignoranz vorgewiesen haben? „Man kann nur staunen, wie wenig Widerstand da geleistet wird“, sagte Gudrun Pausewang in einem Interview bezüglich der Gleichgültigkeit der „Bullerbü“-Elterngeneration. Tja, und es ist reichlich schofel, als Rechtfertigung für diese Gleichgültigkeit die angeblichen Schäden zu bejammern, welche die Lektüre von Büchern einer kritisch-engagierten Autorin in den ach so zarten Seelen Ihrer Generation hinterlassen haben soll. Frank Pörschke, Hattingen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen