brief des tages:
Wenn der Autofahrer zum Jäger der Fahrräder wird
„Auto als Waffe“, taz vom 21. 2. 18Sobald der Mensch seine aromadichte und zentralverriegelte Blechburg bestiegen hat, durchläuft er eine Metamorphose, er verwandelt sich vom Homo sapiens zum Homo automobilisticus und entledigt sich damit seiner schönsten Eigenschaft, nämlich „sapiens“ = weise, klug, vernünftig zu sein. Der betreffende Homo automobilisticus fällt in frühzeitliche Verhaltensmuster zurück, in die Zeit der Jäger und Sammler. Folglich ist der Fahrradfahrer auf der Straße kein Verkehrshindernis, sondern Beute. Wie sonst ist es zu erklären, dass, trotz für alle klar erkennbarer roter Ampel in 100 Metern Entfernung, neun von zehn Autofahrern den Radler notfalls auch bei Gegenverkehr überholen? Man hat Beute gemacht, geistig eine weitere Kerbe ins Lenkrad geritzt, sich selber seine Überlegenheit bestätigt. In der Welt der Homo automobilisticusse, da stehen hunderttausend Euro über fünfzigtausend, drei Tonnen über 850 kg, vier Auspuffe über zweien, da sind Nichtmotorisierte unterste Unterschicht und selbst der popeligste Fiesta Fahrer steht noch haushoch über jedem Radler, vom Fußgänger ganz zu schweigen.
Martin Haager, Schwäbisch Gmünd
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