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bleiberechtEin zynischer Herrenwitz

„Die Innenminister der Länder haben sich auf ein Bleiberecht für arbeitende Bürgerkriegsflüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina geeinigt“, beginnt die Agenturmeldung, und man freut sich schon. Aber dann kommt es knüppeldick: Die Betreffenden müssen sechs Jahre in Deutschland gelebt haben und mehr als zwei Jahre sozialversicherungspflichtig beschäftigt sein; ihr Arbeitgeber müsse dringend auf sie angewiesen sein und sich erfolglos um eine deutsche oder EU-Arbeitskraft bemüht haben.

Kommentarvon UTE SCHEUB

Nach den Worten von Manfred Püchel, Innenminister von Sachsen-Anhalt und Vorsitzender der Innenministerkonferenz, könnten 10.000 bis 20.000 von den noch etwa 35.000 in Deutschland lebenden Bosniern von der Regelung profitieren. Ob der SPD-Genosse selbst den Quatsch glaubt, den er da erzählt? Ein Witz ist das! Ein zynischer Herrenwitz, mal wieder auf Kosten von Flüchtlingen.

Schon die erste Hürde, der Nachweis einer zweijährigen Arbeitstätigkeit, ist für die meisten Flüchtlinge unerreichbar. Schließlich wurde ihnen in vielen Fällen bewusst ihre Arbeitserlaubnis entzogen oder unterbrochen, um Rückkehrdruck zu erzeugen. Die allermeisten bosnischen Flüchtlinge werden nur noch geduldet. Mit anderen Worten: Sie dürfen gar nicht arbeiten, auch wenn sie es wollen. Aber selbst diejenigen Kriegsflüchtlinge, die tatsächlich zwei Jahre gearbeitet haben, dürften sich an der zweiten Hürde hoffnungslos verheddern: an der arbeitsamtlichen Überprüfung. Ein Deutscher oder anderer EU-Angehöriger ist nämlich für fast alle Jobs zu finden – außer vielleicht für Informatiker. Was also wie ein humanitärer Beschluss aussieht, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als knallharte Wirtschaftspolitik.

Ist die harte Haltung gegenüber den Bosniern schon bös genug, kommt es für die Kosovo-Flüchtlinge noch dicker: Sie hat die Innenministerkonferenz mit ihrem grandiosen Beschluss einfach übergangen. Sie werden weiterhin bloß geduldet, bis im Mai erneut über ihr Schicksal beraten wird. Auch für sie wird Hürde hinter Hürde gestaffelt – wohl wissend, dass sie wie die Bosnier in ihrer Heimat kaum eine Perspektive vorfinden.

Warum um Himmels willen kann man diesen Menschen – ähnlich wie den Asyl-„Altfällen“ – nicht einfach und ohne weitere bürokratische Schikanen eine befristete Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis gewähren? Viele würden in dieser Zeit einen Job finden, die meisten Probleme verschwänden von selbst.

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