bilanzen, teil 3 : Der Faktenmann
„Gehen Sie einmal davon aus, dass ich bemüht bin, den Lärm eines Wahlkampfes von der Qualität einer Sache zu unterscheiden.“ So redet nur Josef Hattig, der 71-jährige Wirtschaftssenator. Einer wie er hat es nicht nötig, sich den parteitaktischen Ränkespielen bei der Verteilung der Posten in der künftigen Koalition zu unterwerfen. Ihm sei es gelungen, sein „persönliches Schmerzempfinden so weit zu reduzieren, dass ich als Mensch unbeschadet aus diesem Amt hervorgehe und diese sechs Jahre habe durchhalten können“, erklärt Hattig den Journalisten. Mit welchem anderen Politiker kann man darüber reden? Hattig verwehrt sich bis zuletzt dem Stallgeruch der CDU.
Als er vor sechs Jahren den Schritt in die Politik wagte, obwohl er eigentlich die Altersgrenze in dem Unternehmen Beck & Co erreicht hatte, da war ein Anruf des Bundeskanzlers Helmut Kohl hilfreich. Dass der Landesvorsitzende Bernd Neumann diesen Anruf arrangiert hatte, dürfte Hattig geahnt haben. Dennoch ist auch ein erfolgreicher Geschäftsführer nicht gefeit vor den kleinen Versuchungen der Eitelkeit. „Machen Sie einmal aus Becks eine Weltmarke. Ein bisschen Erfahrung habe ich da“, erklärte er den Journalisten kürzlich. Er kennt die Wirtschaft, er weiß, wovon ein Wirtschaftssenator redet. Unvorstellbar, wenn man ihn so reden hört, wie vor ihm ein Berufsoffizier dieses Amt bekleiden konnte.
Hattig liebt es, Klartext zu reden – auch über Bremen. Hattig wirft die Frage auf: „Wie kann ein solches Land auf Dauer existieren?“ Bis 2005 wird die Sanierung keinen Erfolg haben, sagt er. Für die Hoffnung des Finanzsenators auf den Brief des Kanzlers hat Hattig eine Ironie der feinen Art übrig: „Den kann man vor sich hertragen.“
Als Mann der Wirtschaft weiß er: Ein kleiner Stadtstaat hat „wenige Chancen“, die Investitionsbedingungen zu verändern. Man kann „Berechenbarkeit“ der Politik herstellen, das hat er getan, und man kann „Rahmenbedingungen“ verbessern. Zum Beispiel beim Verkehr. „Verkehr ist Zukunft, wenn man geografisch nicht im Zentrum liegt“, sagt Hattig die bittere Wahrheit. Aber Wirtschaft ist nicht alles. „Die van Gogh-Ausstellung hätte es ohne diesen Wirtschaftssenator nicht gegeben.“ Auch das Theater hat „manche Zuwendung aus dem Wirtschaftsressort erhalten“. Das scheint Hattig am Herzen zu liegen. „Wir haben eine Menge erreicht“ für die Kultur. Als Standortfaktor.
Hat sich Hattig auch einmal geirrt? Space Park, Zusammenlegung von Wirtschafts- und Häfenressort? Der Senator hat für solche Momente, die es auch gibt in seiner politischen Arbeit, eine klare Formel: „Ich habe mich geändert, weil die Fakten sich geändert haben.“Klaus Wolschner