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big in koreaFRANK KETTERER über mexikanische Vergleiche

Aus Käthe wird nie ein Kaiser

Die etwas Älteren unter den Kollegen, also die, die schon vor ziemlich genau 16 Jahren durch die Welt getingelt sind, um der deutschen Fußball-Nationalmannschaft bei ihrer Arbeit zuzusehen und darüber zu schreiben, haben sich hier, beim großen Fest in Asien, mittlerweile auf einen Vergleich aus der Fußballgeschichte geeinigt. Dieser Vergleich muss ziemlich gut sein, weil ihn so ziemlich alle älteren Kollegen benutzen, immer wieder. Und so hört man mindestens einmal am Tag, dass die Mannschaft, die hier am Freitag um den Einzug ins Halbfinale kämpfen wird, doch fatal an jene erinnere, die das WM-Turnier 1986 in Mexiko bestritten habe. Und überhaupt: Dass die ganze Situation, auch die im Vorfeld, doch ziemlich der damaligen ähnele, weil auch damals die EM vor der WM ein rechter Flop war, und der Trainer – er hieß Jupp Derwall und wurde spaßeshalber Häuptling Silberlocke genannt – danach in die Prärie geschickt werden musste, in etwa mit ähnlich viel Schimpf und Schande, wie man das vor nunmehr ziemlich genau zwei Jahren auch mit Erich Ribbeck, der spaßeshalber Sir Erich genannt wurde, getan hat.

Auch damals schien der deutsche Fußball also ziemlich am Boden, auch damals sollte ein ehemaliger Nationalspieler den Heilsbringer geben, auch wenn er dazu offiziell gar nicht die Lizenz besaß. Besagter Heilsbringer hieß Franz Beckenbauer, wurde und wird „der Kaiser“ genannt und war 12 Jahre zuvor als Spieler noch selbst Weltmeister geworden. Das Turnier in Mexiko, so erzählen es die älteren Kollegen zumindest, muss eine ziemliche Zumutung für den deutschen Fußballfan gewesen sein, weil die deutsche Mannschaft doch sehr durchs Turnier stolperte – und das, wohlgemerkt, ohne richtig Fußball zu spielen, was zu folgenden Ergebnissen führte: 1:1 gegen Uruguay, 2:1 gegen Schottland, 0:2 verloren gar gegen Dänemark. Dem folgten ein dürres 1:0 im Achtelfinale gegen Marokko (sichergestellt übrigens durch ein Tor in der 88. Minute!), ein 4:1 im Elfmeterschießen gegen Mexiko im Viertelfinale (!), ein 2:0 über Frankreich im Halbfinale (geht diesmal nicht mehr), schließlich die 2:3-Pleite gegen Maradonas Argentinien im Endspiel (ist hier in Asien ebenfalls unmöglich), was zu nichts anderem führte als: Deutschland hat sich damals tatsächlich auf den zweiten Platz gemogelt, mit einer „Kloppertruppe“, wie sich der ehemalige Meistertrainer Udo Lattek erinnert, wozu u. a. die Spieler Schumacher, Briegel, Brehme, Förster, Herget, Eder, Littbarski, Matthäus, Magath, Berthold, Augenthaler, Rummenigge und auch ein gewisser Herr Völler zählten.

Rudi Völler wurde und wird bisweilen immer noch „Tante Käthe“ genannt, ist vor 12 Jahren als Spieler selbst noch Weltmeister geworden, ist ebenfalls nicht im Besitz einer Trainerlizenz – und kann es hier in Asien bei seinem ersten Turnier als Teamchef schon auch noch zur Vizeweltmeisterschaft bringen. Der Vergleich mit 1986 scheint ihm aber dennoch nicht so ganz zu schmecken, jedenfalls hat er am Samstag einen kleinen Einwand gegen den Vergleich mit der Geschichte vorgebracht. „Damals waren mehr Gurkenspiele dabei“, sagte Völler da, außerdem spiele die aktuelle Mannschaft schon noch ein bisschen besser als jene von damals. Man kann Völler das glauben, er war ja dabei.

Überhaupt ist es natürlich eine ziemliche Sauerei, die nette „Tante Käthe“ mit dem „Kaiser“ zu vergleichen, und würde bestimmt zu einer Beleidigungsklage ausreichen. Und auch die Kollgen, die älteren, die damals schon dabei waren und sich noch gut daran erinnern können, weisen in ihren Erzählungen stets darauf hin, dass der Rudi hier doch ganz anders auftrete, besonnener, ruhiger, souveräner auf jeden Fall, als damals der aufbrausende Franz. Der muss in Mexiko bisweilen doch ziemlich getobt und gewütet haben, wofür er von Ersatztorhüter Uli Stein prompt ein „Suppenkasper“ geheißen wurde. Daraufhin hat der Franz noch mehr getobt und gewütet, fast so lange und so sehr, bis er als Teamchef noch während des Turniers beinahe abgelöst worden wäre.

Egal wie es hier in Asien noch kommt, einen Suppenkasper wird Tante Käthe niemand nennen. Dafür steht anderes heute schon fest: Weltmeister in vier Jahren wird garantiert: Deutschland – und Rudi Völler natürlich.

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