berlinmusik: Fuzz & Pomp
Es geht doch nichts über eine gründliche Rock-’n’-Roll-Bildung. Vor allem dann, wenn man selbst eine Rockband betreibt. Und dass sich die drei Herren von Balagan – Jill Halal, Dagur Kaveh und Uri Rennert – nicht erst seit gestern mit Musik beschäftigen, hört man ihrer neuen EP „Mess #2“ deutlich an. Da tauchen gleich im ersten Stück („Stomach“) Anleihen an Garage Rock, Grunge und Stoner Rock auf – ein solcher Referenzreigen durch die jüngere Musikgeschichte zieht sich durch die fünf Songs.
Das Fuzz-Pedal ist dabei meistens durchgetreten, das Gaspedal oft auch. Balagan widmen sich mit Vorliebe den schmutzigen Seiten des Rock, dabei kommen einem so unterschiedliche Acts wie die 13rd Floor Elevators, Ty Segall, Nirvana oder die frühen Queens Of The Stone Age in den Sinn. Der Titel und der Bandname sind im Übrigen fast gleichbedeutend: Balagan ist Hebräisch für Chaos und Durcheinander, also „a mess“ im Englischen. In diesem Fall ein sehr rüdes und roughes musikalisches Durcheinander – und eines, das viel Spaß macht.
Womit wir von der Abteilung Rock in die Abteilung Pop abgeben. Zu Máni Orrason. Der ist zwanzig Jahre alt, kommt ursprünglich aus Island, hat zuletzt in Spanien gelebt und ist nun in Berlin gelandet. Mit 16 hat er bereits sein Debütalbum vorgelegt, nun erscheinen mit „Baby Angel“ sechs neue Dance-Pop-Stücke, die vom Suchen und Finden der Liebe handeln wie zum Beispiel „Cowboy Cold“ („I broke the record / I wrote my second love song / for my sweetheart / she turns my red shoes on“) oder „Picture I Recall“.
Es sind queere Liebeslieder, gesungen mit großer Pop-Geste. Manchmal glaubt man, Conor Oberst zu hören, wie er den Synthiepop für sich entdeckt hat, dann erinnert einen Orrasons Sound an queeren Achtziger-Pop. Mit dem schon erwähnten „Cowboy Cold“ und „Numb“ sind zwei echte Hits auf der EP, beide haben sehr eingängige Hooklines, der Gesang steht im Vordergrund, und diese Stimme, die sich da zum Teil in höchste Höhen schraubt, die hat eine starke Präsenz, und die zeigt, dass sie vorhat, zu bleiben.
Allerdings sei „Baby Angel“ nur Leuten nahegelegt, die vor ein bisschen Pomp und Pathos nicht zurückschrecken.
Jens Uthoff
Balagan: „Mess #2“ (Duchess Box & Rood Woof Records)
Máni Orrason: „Baby Angel“ (Humming Records / Rough Trade)
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