piwik no script img

berlinmusikAus dem Club

Die Versuche, klassische Musik, also hingeschriebene Töne von ordentlich ausgebildeten Komponisten, mit der weniger akademischen Musik des Clubs zu kombinieren, sind längst ein eigenes Marktsegment im Konzertbetrieb und Tonträgerwesen. Vieles davon ist nicht eben der Rede wert, die Formel „Techno meets Klassik“ ist heute zum Glück so sehr abgemeldet, dass man allenfalls in warnender Form an sie erinnern kann.

Doch dass in diesem Zwischenreich viel Schindluder getrieben wurde, heißt nicht, dass jegliche Bemühungen um einen Dialog unnötig wären. Kommt immer auf die Perspektive an. Der in Berlin lebende Komponist Ketan Bhatti etwa hat ein nachvollziehbares Bedürfnis: Seine Kammermusik soll einfach grooven, von der Anmutung her minimalistisch, aber eben informiert durch Clubgenres.

Hat man schon in anderer Form gehört? Beim Brandt Brauer Frick Ensemble etwa? Gut, die Kollegen Paul Frick und Jan Brauer haben sich an der Produktion des Albums „Nodding Terms“ sogar mit zwei Remixen beteiligt. Wobei die spröde Strenge und rhythmische Kantigkeit Bhattis und seiner Interpreten vom Ensemble Adapter effektiv verhindern, dass man sich bei einem halblauen handgemachten House-mit-Streichern-Kompromiss oder Ähnlichem wiederfindet. Stattdessen tanzt bei ihm das Cerebrum. Auf diese Bedingungen kann man sich einlassen.

Ebenfalls klassisch ausgebildet und in Berlin residierend ist der Produzent Adam Longman Parker alias Afriqua. Bei ihm geht es allerdings weniger um die Kombination von klassischen Instrumenten mit Tanzflächenklängen als um eine offene Herangehensweise an Genres wie House. Nach diversen EPs, unter anderem auf Dream Diary, hat der studierte Pianist mit seiner albumlangen Doppel-EP „Vice/Principle“ sich in psychedelische Gefilde begeben. Lässt in Tracks wie „Vign“ verwaschen schmierende Akkorde auf swingende Störgeräusche als Beat treffen. Und tupft alle paar Takte vielleicht mal einen Klavierton dazwischen. Oder lässt den von Regisseur Stan Brakhage gesprochenen Erzähltext aus dessen Film „The Stars Are Beautiful“ von flirrenden Gitarren umspielen. Schöner Trip.

Tim Caspar Boehme

Ketan Bhatti & Ensemble Adapter: „Nodding Terms“ (col legno/Harmonia Mundi)

Afriqua: „Vice/Principle“ (R&S/Alive)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen