berliner szenen: Kannste dir nich ausdenken
In der U-Bahn telefoniert ein Typ mit jemandem, der ununterbrochen redet. Man kann es bis zu mir gegenüber hören. Der Typ hält sich das Handy ans Ohr, hört zu und sieht sich dabei die Fingernägel seiner linken Hand an. Sie sind türkis lackiert. „Mhh“, macht er ab und zu. Sein Gesprächspartner redet weiter. Ich versuche etwas zu verstehen, aber es gelingt mir nicht. Der Typ hat einen Ring in der Augenbraue, den er jetzt zwirbelt. Dann kräuselt er die Augenbrauen. Er sieht oben rechts in die Ecke, schließt kurz die Augen. „Hello?“ sagt er plötzlich. „Hello?“ Kurze Stille, dann hört man es am anderen Ende weiter reden.
„Hello? The connection is bad“, sagt der Typ während der andere weiter redet. „Hello?“, ruft er noch einmal und zwinkert mir dabei zu. Ich grinse.
Er nimmt das Handy nah vor den Mund und macht ein Geräusch, das klingt, als würde Ernie aus der Sesamstraße lachen. „Krrrrcchh krrrchhhh krrchhh.“ Dann legt er auf.
Ich sehe ihn an und ziehe eine Augenbraue hoch. Der Typ so: „I truly love him, but he won’t stop talking.“
Ein Mann mit Glatze in Daunenjacke neben mir lacht und sagt im breitesten Berliner Englisch: „Meen Nachbar is the same.“ Er geht zu Deutsch über: „Der redet im Treppenhaus wie’ne Quasselstrippe. Aber wissta, wat da hilft? Kannste dir nich ausdenken.“ Der Typ guckt freundlich, aber ich bin nicht sicher, ob er versteht.
„Da musste mehr reden als der. Ohne Pause, einfach vollquatschen. Egal wat. Dann hörn die uff. Wirste sehen.“ Der Typ schaut etwas hilflos zu mir. Ich übersetze. Der Typ lacht und sagt zu dem Mann: „Thank you. I will definitely try this.“ Ich übersetze. „Do it“, sagt der Mann nebenan und hebt einen breiten Daumen. Als der Typ aussteigen muss, sagt der Berliner: „Tschüssikowski.“ Ich glaub, das muss ich nicht mehr übersetzen. Isobel Markus
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