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berliner szenenEin Pferd zum Mitnehmen

K. und ich sind am Schlachtensee und wollen laufen. Also mal ein bisschen mehr als sonst. Wir haben uns vorgenommen, den Schlachtensee und im Anschluss noch die Krumme Lanke zu umrunden. Die ­S-Bahn ist mal wieder zu spät, also komme auch ich zu spät, sodass K. schon da steht und grinsend auf ein aufgeblasenes Etwas neben einem Mülleimer zeigt. „Brauchst du ein Pferd?“, fragt er. Ich staune. Es ist ein riesiges Luftballonpferd.

„Was macht das denn am Müll?“, frage ich und K. sagt: „Ich beobachte das schon die ganze Zeit. Eine Frau kam vorhin damit an, verschwand hinter der Kurve und irgendwann kam das Pferd angeweht. Seitdem liegt es da am Mülleimer. Entweder es hat sich losgerissen oder sie haben es ausgesetzt.“

„Na, vielleicht holt die Frau es ja noch“, sage ich. Wir besprechen, in welcher Richtung wir um den See gehen und machen uns auf den Weg. Nach etwa einer Stunde kommen wir wieder an der gleichen Stelle an. Das Pferd liegt jetzt ein paar Meter weiter in einem Busch. Wir bleiben traurig davor stehen und ich sage: „Das ist doch komisch, wer lässt denn so ein tolles Luftballonpferd einfach so hier herumfliegen?“

Da fährt ein Typ mit Cap auf einem Lastenfahrrad an uns vorbei. Vorn sitzen zwei Kinder und während K. und ich noch auf das Pferd starren, dreht er, kommt auf uns zu und hält das Rad an. „Ich würde das Pferd dann jetzt mal mitnehmen“, sagt er und sieht mich dabei fragend an.

„Aber ja“, rufe ich, „ich würde ja selbst, aber …“ Ich beende den Satz nicht und stelle mir vor, wie ich mit einem Luftballonpferd um den See gehe.

„Naja“, sagt er und steigt ab. Er zeigt mit einer Kopfbewegung auf die beiden Kinder, die auf das Pferd gucken, und sagt: „So habe ich wenigstens eine Ausrede, es mitzunehmen.“ Und das finden wir auch. Isobel Markus

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