piwik no script img

berliner szenenEin feuer­löschender Traum

Ich stehe im Wedding und warte mit ziemlich vielen Menschen auf den verspäteten Bus, der sich durch den Feierabendverkehr quält.

Unweit der Haltestelle hängt ein Mülleimer und vielleicht hat jemand mit seiner Kippe nicht die kleine Öffnung für den Aschenbecher getroffen, jedenfalls fängt der Mülleimer an zu qualmen. Es qualmt schnell heftiger und zwei Jungs, die mit einer Flasche in der Nähe stehen, schütten etwas Wasser darauf, aber das facht das Feuer eher an. Bald züngeln Flammen hervor, es stinkt nach Rauch und wir an der Haltestelle sehen uns betroffen an, wissen aber auch nicht, was wir tun sollen.

Da kommt eine Frau aus einem Geschäft, geht mit einem Feuerlöscher in der Hand zielstrebigen Schrittes auf den Brandherd zu, entsichert und hält den Schlauch auf die Flammen. Weißer, zäher Schaum spritzt in den Mülleimer. Das Gesicht der Frau ist vor lauter Aufregung leicht rot, aber sehr ernst und konzentriert. Der Schaum tropft unten aus dem Mülleimer heraus und bildet eine Lache auf dem Asphalt.

Als sie aufhört, dreht sie sich zu uns Umstehenden, ein paar klatschen spontan. Sie strahlt. „Cool“, sagt einer der Jungs, „wir haben es schon mit Wasser versucht, aber es hat nicht geholfen.“

Sie grinst und ruft: „Ehrlich gesagt wollte ich das schon immer mal machen. Schon als Kind! Weiß jetzt nur nicht, was mein Chef sagt, wenn der Feuerlöscher leer ist.“ Ein Mann sagt: „Ach was, den kann man wieder auffüllen.“ Sie guckt auf den Feuerlöscher: „Okay, gut. Aber ehrlich, ist jetzt auch egal, dann zahl ich das. Hat sich nämlich so was von gelohnt!“

Dann geht sie wieder zurück ins Geschäft. Ich freue mich für die Frau, die sich heute offensichtlich einen feuerlöschenden Traum erfüllt hat.

Später im Bus überlege ich, welchen Traum ich mir heute noch erfüllen könnte.

Isobel Markus

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen