berliner szenen: So vorher-nachher-mäßig
Die Nerven“, eine Post-Punk-Band aus Stuttgart, spielten neulich im Festsaal Kreuzberg, und eine Freundin und ich hatten uns Karten für das Konzert gekauft. Bis die Band loslegte, wusste ich nicht, dass meine Freundin ein Fan ist. Sie zeigte mir ein Foto, das sie mit der Band vor acht Jahren auf dem AStA-Sommerfestival in Paderborn ablichtete – die „Nerven“ hatten dort einen Auftritt, und meine Freundin, die in Paderborn zu dieser Zeit studierte, war schon ziemlich betrunken, als sie wie ein Groupie nach einem Foto fragte.
Am Ende des Konzerts waren wir auch ein bisschen betrunken und meine Freundin äußerte den Wunsch, erneut ein Foto mit der Band zu machen. „Wäre doch witzig, wenn wir das Foto nachstellen würden“, meinte sie. „So vorher-nachher-mäßig.“ Das Problem an der Idee war nur, dass auf dem Foto auch der Gitarrist von „Turbostaat“ war – neben meiner Freundin, dem Bassisten und dem Drummer von den „Nerven“. Aber halt, im Publikum saß doch tatsächlich einer, der dem Gitarristen von „Turbostaat“ verdammt ähnlich sah. Er trug sogar einen ähnlichen Bart und eine Fischermütze, nur nicht ganz so tief im Gesicht. Da ich bei solchen Sachen ziemlich schambefreit bin, überzeugte ich meine Freundin, den Bassisten von den „Nerven“ zu fragen, ob er nicht Lust hätte, das Foto nachzustellen. „Okay“, meinte der, „ich suche mal unseren Schlagzeuger“. „Vielleicht“, sagte ich und zeigte zu dem Bärtigen mit der Fischermütze, „könnte man ihn da drüben fragen, ob er für den Gitarristen von ‚Turbostaat‘ einspringen könnte.“ „Ach, den kenn ich sogar“, meinte der Bassist, winkte ihn zu sich und trommelte den Schlagzeuger herbei. Als uns schon ein Security aus dem Konzertsaal fegen wollte, kam die Nachstellung des Fotos zustande. Davor zog ich dem Typen noch die Fischermütze ein bisschen tiefer ins Gesicht. Eva Müller-Foell
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