berliner szenen: Ein Melodram für uns zwei
Wir sitzen vor der kleinen portugiesischen Bäckerei in der Weisestraße und können nicht aufhören zu weinen. Mal abwechselnd, mal beide gleichzeitig. Über Croissant, Brioche, Americano und Latte macchiato werden Tränen vergossen, und somit bekommt alles einen salzigen Touch. Nachdem wir uns geoutet hatten, was die Gefühle füreinander angeht, stellten wir fest, dass wir nicht wissen, was aus uns wird. Deshalb weinen wir still vor uns hin.
Damit hatten wir bei mir angefangen und dachten, dass uns frische Luft guttun würde. Ich kaufte mir eine billige Sonnenbrille bei Rossmann, und weil ich mich schick gemacht hatte und Schwarz trug, kam ich mir vor, als würden wir nicht zum Schillerkiez, sondern zu einer Beerdigung gehen, Arm in Arm, ohne ein Wort zu sagen. „Oder als ob wir Hollywood-Stars im Detox-Urlaub wären“, sagt sie plötzlich, und wir lachen ein bisschen, bevor es mit dem Heulen weitergeht. Einige der Kund*innen, die vor der Bäckerei Schlange stehen oder an unserem Tisch vorbeigehen, schauen uns neugierig oder mitleidig an. Wir bekommen es aus dem Augenwinkel mit, doch es ist uns egal. Auch die Wespen, die um unsere Essensreste herumfliegen, sind uns indifferent. In unserem Melodram gibt es nur uns beide, das Alltägliche hat keinen Zugang. Es ist ein Almodóvar-Film, eine Tour de Force zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Als wäre das Ende der Welt gekommen und wir nicht wussten, ob wir es überleben werden.
Es ist ein Montag, der sich wie ein Sonntag anfühlt, vielleicht einer der letzten einigermaßen warmen Tage des Jahres. Der Himmel ist blau und das Licht grell. An der Ecke an der Herrfurthstraße spielt jemand Gitarre: Alle Lieder klingen melancholisch, eher traurig.
Luciana Ferrando
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