berliner szenen: Wer von uns ist hier verrückt?
In meiner Mittagspause treffe ich mich am sonnigen Paul-Lincke-Ufer auf ein erstes OkCupid-Date. Er sieht gut aus und wir teilen viele Interessen. Trotzdem die Frage: Habe ich einen Stock im Arsch, oder ist das Format einfach bescheuert? Oder liegt es doch an ihm?
Als uns ein Hubschrauber über die Köpfe fliegt, denke ich, vielleicht doch Letzteres. Er zuckt zusammen und sagt: „Ich hab tierisch Angst vor Hubschraubern.“ Sie hätten ja keine Flügel, er könne sich nicht erklären, wie Hubschrauber fliegen könnten.
„Ist es nicht vielleicht eher die Polizei, vor der du Angst hast?“ Er lacht, lässt sich trotzdem nicht von der dunklen Magie der Propellerflugzeuge abbringen.
Außerdem, sagt er, spielten sie mit dem Luftdruck. Sie könnten sogar Blitze erzeugen, total unnatürlich.
Ich trinke rasch meine letzten, abgestandenen Radlerschlucke und tue so, als wäre ich von der Uhrzeit erschrocken.
Am späten Nachmittag befinde ich mich wenige Blocks vom Ufer entfernt. Der Himmel ist hellgrau, die Wolken definiert, ein Hubschrauber wieder dröhnend. Es ist angenehm kühl, ein leichter Wind streichelt meine Haut. Eine Katze begrüßt mich – ich gehe zu ihr hinüber. Ich strecke ihr meine Hand aus, sie bietet ihre Wange.
Ehe ich die Katze berühre, öffnet sich der Himmel. Alles wird blau beleuchtet, und über den Dächern sehe ich einen Blitzschlag im Dreizack. Die Katze verschwindet hinter einem Busch und eine Krähe kommt krächzend und knatternd aus demselben Busch geflogen. Von der Richtung eines plötzlich jaulenden Autoalarms kommt ein Mann an mir vorbeigerannt, und rempelt mich an. An meiner Schulter spüre ich schon den blauen Fleck.
Die Katze ist verschwunden, aber alles andere bleibt unverändert. Ich schaue zum Hubschrauber hoch. Schon düster. Nina Kashi Street
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