berliner szenen: Treu, devot und anhänglich
Ich hatte etwas anderes verdient, etwas Besseres, wie alle. Also traf ich mich mit Emma, die erreichbar zu sein schien. Auch wenn wir nicht füreinander bestimmt waren. So sah sie das. Ich hätte es anders sehen können. Aber ich bekam eine Rolle zugewiesen, die ich ausfüllen sollte. Oder es kam mir nur so vor. Die Rolle des kümmernden, sorgenden Manns.
Die Bar, in der wir uns trafen, lag in der Nähe ihrer Wohnung in Friedrichshain. Es war eine kleine Bar, durch die Rauchschwaden zogen wie früher, eine Kneipe wie aus den sechziger Jahren, mit einfachen Sitzmöbeln und niedrigen Tischen, hellem Licht, einer langen Theke, an der wir auf zwei hohen Barhockern saßen, und auf Kreidetafeln geschriebener Karte. Es lief Jazz, die Variante ohne Gesang, die Bedienung war eine mitteljunge, seltsam tätowierte Frau mit traurigem Gesicht. Emma hatte Hunger und bestellte Hackepeter, sächselte dabei kaum merklich, ich nahm ein großes Bier. Die Bedienung nickte unsere Order ab und verschwand hinter der Theke.
Ich rückte mich zurecht und betrachtete mein Gegenüber. Emmas Mund war blass rosa, anmutig geschwungen, ihre Augen groß und leuchtend braun. Ihr Haar von einem fast schüchternen Rot. Ich fragte mich, was sie von mir erwartete. Sie zündete sich eine Zigarette an und erzählte, dass sie über einen Hund nachdachte. Ein Wesen, das treu, devot, ehrlich, anhänglich war. Zur Probe hatte sie sich für eine Woche oder zwei den Hund einer Freundin ausgeliehen, einen Chien d’Artoise, der entsprechend Arthur hieß und geduldig zu Hause auf sie wartete. Abends legte er sich in ihre Kniekehlen, wenn sie auf dem Sofa ein Buch las oder Arbeiten korrigierte, wie sie sagte, während ich ihren Zigarettenqualm beiseite wischte und uns altehrwürdige Schauspieler aus Bilderrahmen heraus zusahen. Aha, machte ich nur.
René Hamann
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