berliner szenen: Schnuppern am Service der Zukunft
Ein lasziver Rosenduft hing im Raum. Von der Decke baumelten Lampen aus Butzenscheibenglas. Hinter dem Rosenduft roch es nach Küche, nach Schweiß und Alkohol, niemand erinnerte sich an Zeiten, in denen Rauchen im Restaurant erlaubt war. Das Restaurant galt als schick. Je schicker, desto weniger Dresscode: Es sah fast so aus, als ob sich einige Damen bei der Wahl ihrer Garderobe vergriffen hatten; als verstießen sie mit Absicht gegen die Etikette. Aber diese Etikette gab es nicht. Frauen in Jogginghosen, in khakifarbenen Shirts, in weißen Sneakers. Vielleicht war das die neue Mode.
Meine Sensoren waren mittlerweile ziemlich abgestumpft, Berührungen mit Jugendkultur und Fashion seltener geworden. Stattdessen gab es Koreaner, einfache Kantinen, die Küche zu Hause, die ich mittlerweile gut beherrschte, Kupferpfannen, die ich übers Netz bestellte, in schlaflosen Nächten auf den entsprechenden Portalen.
Das Restaurant befand sich im zweiten Stock. In den Fenstern standen die Glasfassaden der Bürotempel gegenüber. Unten surrten Fahrzeuge, gelegentlich sah man den hutlosen Kopf eines Fußgängers. Im Restaurant achtete man kaum darauf. Man achtete auf sich. Auf die bunten Gläser. Die schillernden Getränke. Auf die Servierwagen, die über den elektromagnetischen Kunststoffboden glitten, sich geräuschlos den Tischen näherten oder in den hinteren Bereichen verschwanden, zu den versteckten Speiseaufzügen zu den Großküchen. Es war ein vollautomatisches Restaurant. Es gab keine menschlichen Servierkräfte. Die Gänge wurden nicht serviert, sie wurden geliefert; man nahm sich die Speisen von den Wagen. Sah man es kritisch, hätte man es seelenlos nennen können; es gab nicht einmal Musik. Aber genau aus diesem Grund hatte ich mir das Restaurant ausgesucht. René Hamann
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