berliner szenen: Theorie und Praxis des Zaunbaus
Ylenia“ war schuld. Oder „Zeynep“. Im Februar haben diese Stürme in unserer Kleingartensiedlung viel Schaden angerichtet. Unter anderem das Dach unserer Laube abgedeckt und den Sichtschutzzaun zum Nachbargarten zerstört. Um das Dach kümmert sich (hoffentlich bald) ein Dachdecker. Den Zaun bauen wir selbst. Theoretisch. Das klingt großartig nach Tatkraft und Fachwissen. Fakt ist leider: Weder mein Mann noch ich sind Handwerker. Vor zwei Jahren mussten wir zum ersten Mal einen Sichtschutz bauen. Die Nachbarin hat Tipps gegeben, die so schlecht nicht waren. Aber ganz sturmfest sind solche hohen Zäune eben nie.
Dieses Mal habe ich zur besseren Vorbereitung mehrere Stunden lang Onlinetutorials geschaut. Ich weiß jetzt, was eine Einschlaghülse ist und dass da „immer die Schweißnaht die Schwachstelle ist“, weshalb auch Einbetonieren nicht hilft.
An einem Samstag schaue ich mir das alles „in echt“ im Baumarkt an. Mein Mann ist derweil auf der Pop-up-Buchmesse in Leipzig, er ist noch mehr der Theorie verhaftet als ich. Abends erkläre ich ihm, wie wir das praktisch umsetzen. Er nickt dankbar.
In einer der darauf folgenden Wochen kaufe ich vier dicke 2-Meter-Pfähle und bringe sie mit dem Lastenrad in den Garten. Was jetzt kommt, kenne ich schon und nenne es den Praxisschock. Den erleidet mein Mann immer, wenn es „in echt“ losgeht. Erst wird er nervös, dann aggressiv.
„Gab es keine längeren Zaunpfähle?“ – „Steht das jetzt richtig gerade?“ –„Und warum hast du keine Einschlaghülsen gekauft?“ So motzt er eine Stunde lang herum. Die Kunst, das an mir abperlen zu lassen, beherrsche ich fast perfekt.
Zwei Stunden und sehr viel Gestresse später steht der Zaun. Mein Mann macht Kaffee. Ganz friedlich. Kaffee kochen kann er, nicht nur theoretisch. Gaby Coldewey
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