berliner szenen: Die Zeit effektiv managen
Entschuldigung, darf ich Sie bitte fragen, was Sie hier tun?“, spricht mich eine junge Frau von der Seite an, während ich auf einem Grünstreifen vor einer Tankstelle versuche, schnell eine wichtige E-Mail zu schreiben.
Irritiert sehe ich zu ihr auf.
Sie trägt ein T-Shirt mit dem Logo der Tankstelle und sieht mich nicht minder irritiert an. Als ich ihr nicht gleich antworte, mustert sie mich von oben bis unten und fügt zögernd hinzu: „Es gibt doch schönere Orte als neben dieser befahrenen Straße.“
Ich frage zurück: „Ist es ein Problem, dass ich hier sitze?“ Sie runzelt die Stirn: „Ein Problem nicht. Ich wundere mich nur.“
Da ich befürchte, sie wird mir nicht von der Seite weichen, ehe ich ihre Neugier befriedige, erkläre ich schnell: „Ich maximiere hier die knapp bemessene Zeit, die ich habe, während meine Tochter nebenan beim Handball ist. Wenn ich erst einmal zwanzig Minuten zu einem Café liefe, bekäme ich kaum noch etwas hin.“ In ihrem Blick liegt eine Mischung aus Befremden und Mitleid.
Ich stelle mir vor, wie sie gucken würde, wenn ich ihr erzählen würde, dass ich ständig von unterwegs aus arbeite, selbst im Bus und in der U-Bahn Mails schreibe und nicht wenige andere Eltern kenne, denen es genauso geht. Die vor der Schule oder der Kita auf dem Asphalt hocken und vor dem Abholen noch schnell wichtige Dinge erledigen.
Ich verkneife es mir. Alleine schon aus Zeitgründen. Schließlich muss ich die Mail noch beenden.
Nach dem Handball gehe ich mit meiner Tochter in der Tankstelle eine Apfelsaftschorle kaufen. Die junge Frau steht hinter der Kasse und fragt meine Tochter: „Wie war es beim Handball?“ Meine Tochter guckt sie entgeistert an. Ich erkläre: „Sie hat mich vorhin gelöchert, warum ich vor der Tankstelle sitze.“ Die Frau wird rot.
Eva-Lena Lörzer
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