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berliner szenenDie Kunst der Schichtung

Die beiden Studentinnen sind Profis am Salatbuffet im Museum, sie füllen ihre Schüsseln mit System. Am besten mit den geraspelten Möhren anfangen und am Boden etwas platt drücken, empfiehlt eine der beiden. Auf die Möhren lassen sich die Kichererbsen schichten, dann Bulgur und in die Zwischenräume die Sonnenblumenkerne schütten – das ist der Vorschlag der anderen. Sie übertreffen sich gegenseitig mit Tipps und guter Laune. Ein Kommilitone möchte mitmachen, aber die beiden lassen ihn abblitzen. Sie füllen noch ein paar Croutons auf ihre jetzt randvolle Mischung und fixieren diese mit Glasnudeln.

Inzwischen löffelt auch ein älterer Mann knusprige Brotwürfel in seine Schüssel. Die Hälfte geht daneben. Mit der Handkante schiebt er die auf dem Buffet verstreuten Croutons zusammen. Bevor er sie zum Ausgangspunkt zurückbefördern kann, nimmt er zu spät den Blick eines Kellners wahr, der ruft Stopp, und der ältere Mann fegt vor Schreck sein Glas vom Tablett. Er bückt sich nach den Scherben, jetzt ist das Stopp des Kellners noch vehementer, als sei er sich nicht sicher, wo die Scherben landen könnten.

Inzwischen zahlen die beiden Studentinnen an der Kasse „zwei große Salatschüsseln und zwei Flaschen Rhabarberschorle“. Der Kommilitone wittert eine Chance. Im Vorbeigehen möchte er eine Empfehlung loswerden. Er nehme statt einer großen immer zwei kleine Schüsseln, damit bezahle er 10 Cent weniger, habe aber deutlich mehr Inhalt. Die beiden Frauen reagieren genervt auf die Vorschläge des Sparfuchses. Vielleicht wollen sie nicht wahrhaben, dass sie doch selbst gerade das Kosten-Nutzen-Verhältnis ausgereizt haben. „Meine Oma hat solche immer Klugscheißer genannt“ – klingt eigentlich viel plastischer als Mansplaining.

Claudia Ingenhoven

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